Arge Ja zur Umwelt, Nein zur Atomenergie



Die Klärung der Donau und andere Klarstellungen

"Da kann man halt nix machen...DIE machen doch sowieso was sie wollen"
Das hören wir heute so oft. Wozu sich engagieren? Bringt das überhaupt was?

Die Klärung der Donau und
andere Klarstellungen

von Christiane Schmutterer

Christiane SchmuttererHeute habe ich mich endlich getraut. Heute war ich zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder in der Donau schwimmen.

Es war herrlich: Mit bloßen Füßen über die runden Kiesel hinein ins Wasser, das selbst nach Tagen tropischer Hitze mit seiner Kühle noch einen Erfrischungsschub bringt, der besser einfährt als zwei große Braune. Die Kraft der Strömung spüren, den feinen Duft des Wassers atmen, sich eins fühlen mit der uralten Lebensader Europas.

Bilder aus meiner Kindheit steigen auf: In den 60er Jahren waren wir immer in der Donau baden - das gehört zu den schönsten Erinnerungen. Dann wurde das Wasser immer schmutziger, unappetitlicher, gesundheitsgefährdend von den Industrieabwässern. Im Namen des Fortschrittes schien es für immer aus mit dem Vergnügen.

Doch heute hat die Donau hat in Österreich heute wieder durchgehend Gewässergüte 2 erreicht, das entspricht Badequalität. Zwar gibt es immer wieder mal spontane Verschmutzungen durch die Schiffahrt oder bei starken Regenfällen durch Einflüsse von Rohabwässern. Doch im Regelfall verläßt durch konsequente Abwassersanierung das Wasser heute selbst eine Großstadt wie Wien kaum schmutziger als es in sie einfließt. Ein erfreulicher, ja sensationeller Erfolg!

Der Klärung des Donauwassers ging ein Jahrzehnte währender Kampf um eine Klärung des öffentlichen Bewußtseins voraus: Daß eine lebenswerte Umwelt ein kostbares Gut ist, auf dessen Erhaltung wirtschaftliche Interessen Rücksicht zu nehmen verpflichtet sind.

Wer hat diesen Kampf gefochten? Bei wem darf ich mich bedanken?
Bei jenen umsichtigen Politikern, die strenge Gesetze zur Abwasserbehandlung erlassen haben? Bei - jetzt kommt der Wermutstropfen - einigen industriellen Großverschmutzern, die als Konsequenz einfach in andere Länder abgewandert sind, wo die Entwicklung zeitverzögert und Verschmutzung einstweilen noch toleriert wird? Bei den Medien, die durch ihre Berichterstattung öffentlichen Druck verbreitet haben? Politiker reagieren auf Druck, Medien reagieren auf vorhandene Interessen. Wahrhaft zu danken ist all jenen Menschen, die das Anliegen des Umweltschutzes schon vor Jahrzehnten in ihr Herz aufgenommen haben, als es allgemein noch als "Spinnerei" abgetan wurde. Die sich gegen den Strom der herrschenden Heilslehre des alleinseligmachenden wirtschaftlich-industriellen Fortschritts aufgelehnt haben. Die das Anliegen als unermüdliche Botschafter in Familie, Bekanntenkreis, unter Arbeitskollegen, in ihrer Gemeinde weiterverbreitet haben. Die Briefe geschrieben haben, die demonstrieren gegangen sind, die beim Biobauern gekauft haben, und so ganz konkret einen Beitrag zur Minderung der Nitratbelastung des Grundwassers geleistet haben.... jenen zum Trotz, die immer schon wußten, daß "man da nix machen kann".

Es ist meine Überzeugung, daß solche Menschen, die selbstlos und oft gegen eine schier unbesiegbar scheinende Phalanx von gesellschaftlicher Konvention und "Zwängen des Faktischen" auftreten, einfach weil sie es für richtig empfinden, die wahren und einzigen Keimzellen jedes gesellschaftlichen Wandels sind. Es ist meine Überzeugung, daß keine dafür eingesetzte Energie je verloren geht: Kein Gespräch, keine Geste des Widerstands, keine bewußte Kaufentscheidung, keine kühn geäußerte Vision einer besseren Welt. Nur ist ein Bewußtseinswandel einer Gesellschaft schwerfällig wie ein Ozeandampfer und es kann Jahrzehnte dauern, bevor die Kursänderung manifest wird - wodurch es dem Einzelnen aus der Perspektive des Augenblicks oft scheinen mag, seine Aktivitäten hätten keine Wirkung.

"Da kann man nix machen.
DIE machen doch eh, was sie wollen"

Schauplatz: Wiener Innenstadt. Mit Aktivisten von befreundeten Organisationen sammeln wir Unterschriften gegen die Beteiligung Österreichs an den EU-Kampftruppen. Der Großteil der Leute reagiert auf Ansprechen gar nicht, belästigt-genervt oder resigniert. Nur langsam füllen sich die Listen. Eine typische Antwort ist "da kann man nix machen, DIE machen doch eh, was sie wollen" oder auch: "Ich unterschreibe gar nichts, meine Adresse gebe ich nicht her".

Wie, denke ich mir, andere haben früher unter Einsatz ihres Lebens dafür gekämpft, damit DU heute in Frieden und Freiheit leben kannst, in einem Land, in dem man nicht wegen politischer Überzeugungen im Gefängnis gefoltert wird, aber du bist heute nicht mal bereit, eine Unterschrift zu leisten, die dich nichts und gar nichts kostet! Du, der du im Vergleich mit anderen Ländern der Welt immer noch wie in Milch und Honig lebst, bist du dir nicht bewußt, daß du darin von den Früchten des Muts und der Taten voriger Generationen zehrst? Die konnten "was machen", und Du konsumierst Frieden und Freiheit heute als Selbstverständlichkeit, aber kannst selber gar nichts mehr tun?! Welch kleinliche Ausrede, hinter der in Wahrheit doch nur die Bequemlichkeit und Kleinmut steckt. Das Traurige ist, daß solche Menschen unwillkürlich zu den besten Stützen bösartiger Machtpolitik werden. Denn wenn immer mehr Leute "nichts mehr machen können", haben DIE uns genau da, wo sie uns haben wollen: dann können SIE immer ungehinderter machen, was SIE wollen.

Wie war das noch in Zwentendorf?

Ein fertig gebautes Atomkraftwerk, eine Millioneninvestition, soll nicht in Betrieb gehen? Da sagt die "Vernunft" doch: "Chance gleich null, verschwende da ja nicht deine Energie."

Doch die "Unvernünftigen" haben den Sieg davongetragen. Zwar nur mit hauchdünner Mehrheit und auch dank glücklicher Umstände in den politischen Verhältnissen. Doch das ist keine Einschränkung, sondern zeigt im Gegenteil gerade, worauf es ankommt: schlechten Chancen zum Trotz das Richtige tun, denn man weiß nie, welche glücklichen Fügungen unverhofft zu Hilfe kommen. Doch wer die Segel dann nicht schon aufgespannt hat, kann den guten Wind nicht nutzen. Die Entscheidung über Sieg oder Niederlage fällt nicht im Schielen auf die Chancen, sondern im Geist: Bin ich bereit, für meine Herzenswerte aktiv einzutreten, unabhängig von den Chancen, und schlimmstenfalls auch noch nach einer Serie von Niederlagen? Solange der Geist des Widerstands lebendig ist, ist nichts verloren. Doch selbst Erreichtes bleibt nicht auf ewig geschenkt, sondern muß immer aufs neue verteidigt werden - wie jetzt im Fall des Umwelthaftungsgesetzes (2007) .

Niemand ist eine Insel. Wir alle sind Teile eines Ganzen, Zellen des gesellschaftlichen Körpers. Jede hat ihre unersetzbare Funktion in diesem wunderbaren Gewebe. Jede kann sich entscheiden, welche Art von Austausch sie mit ihrer Umgebung eingeht: kraftspendend oder resignierend? Einer allein kann nichts tun. Doch wenn einer nichts tut, wer dann wird es tun?

Nimm dir ein Herz und guten Mut und gib uns eine Tat.

„Wenn einer, der bescheiden seine Schafe unter dem Sternhimmel hütet,
sich seiner Rolle bewußt wird, entdeckt er,
daß er mehr ist als ein Knecht.
Er ist eine Schildwache.
Und jede Wache ist verantwortlich für das ganze Reich.“

Antoine de Exupery

(Neue Argumente Ausgabe 108, August 2007)

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