Arge Ja zur Umwelt, Nein zur Atomenergie

„Was damit geschaffen wird,
ist eine Kultur der Angst“

Der kanadische Bauer Percy Schmeiser war 1998 verklagt worden, nachdem Gen-Raps vom Gentechnik-Konzern Monsanto seine Felder kontaminiert hatte. Der Konzern forderte von Schmeiser Schadensersatz wegen „illegalen“ Anbaus von patentiertem Gentechnik-Saatgut. Der Prozess Monsanto gegen Schmeiser fand weltweit große Beachtung. 2004 wurde Schmeiser von den Schadensersatzforderungen freigesprochen. Die Patentansprüche Monsantos wurden allerdings grundsätzlich bestätigt.

Leicht gekürzter Vortrag von Percy Schmeiser am 28.10. 2005 in Zürich.
Quelle und Übersetzung: Umweltinstitut München

Percy SchmeiserIn Nordamerika wurden gentechnisch veränderte Organismen (GVO) 1996 eingeführt. Wir wissen heute, was es bedeutet, wenn man diese Pflanzen kommerzialisiert; nicht nur für die Bauern, sondern auch für die Konsumenten und die Umwelt. Es gibt viele Bereiche, die von der Gentechnik betroffen sind, unter anderem die menschliche Gesundheit, die Gesundheit von Tieren, die Lebensmittel und die Umwelt. Doch eines der wichtigsten Themen ist der Versuch, damit Kontrolle über die Bauern auszuüben, ihnen zu verbieten, ihr eigenes Saatgut zu verwenden. Wenn GVO erst einmal eingeführt worden sind, haben die Bauern keine Wahlfreiheit mehr, sie können nicht mehr konventionell oder biologisch anbauen.

Als meine Frau und ich uns 1998 gegen Monsanto gewehrt haben, ahnten wir nicht, wie weit der Fall gehen würde, und dass wir einmal vor dem höchsten Gerichtshof Kanadas gegen Monsanto streiten würden. Wenn in der Schweiz, in Deutschland oder auch in Frankreich GVO eingeführt werden, wird das Gleiche geschehen wie bei uns in Westkanada oder im nördlichen Teil der USA. Gentechnisch veränderte Pflanzen fallen unter das Patentrecht, d.h. sie gehören Unternehmen wie Monsanto. Meine Frau und ich wurden von Monsanto beschuldigt, deren Saatgut verwendet zu haben, ohne Lizenzgebühren zu zahlen. Dabei hatten wir nie Saatgut von Monsanto gekauft. Wir waren auch nie zu den Veranstaltungen von Monsanto gegangen. Im ersten Gerichtsurteil hieß es dann, dass es unwichtig ist, wie das Saatgut von Monsanto auf das Feld eines Bauern gekommen ist. Es spielt keine Rolle, ob das genmanipulierte Saatgut über Pollenflug, Bienen, Wasser oder auf anderen Wegen auf die Felder kommt: Wenn es passiert, gehört das gesamte kontaminierte Saatgut nicht mehr dem Bauern, sondern Monsanto. Mit anderen Worten, wenn Sie z.B. eine biologische Bäuerin sind wie meine Frau, oder ein konventioneller Bauer wie ich: Sie können eines Morgens aufwachen und können nicht weiter arbeiten wie bisher. Denn falls Ihr Feld von Monsantos GVO-Saatgut kontaminiert worden ist, ist es Monsantos Eigentum.

Wir haben uns dagegen mit Händen und Füßen gewehrt, sechs Jahre lang, bis unser Fall vor den obersten Gerichtshof in Kanada gekommen ist. Der Kampf ging vor allem darum, dass ich erreichen wollte, dass ein Bauer sein eigenes Saatgut wieder aussäen und weiter verwenden kann. Aber es gab auch andere Themen, die wir vor dem obersten Gerichthof behandeln konnten. Einige dieser Themen sind:

Und so urteilte der Oberste Gerichtshof Kanadas:

Erstens: Ich musste keine Lizenzgebühren an Monsanto zahlen. Doch in Bezug auf das Patent sagt das Urteil: Monsanto hat Anspruch darauf, Gene zu patentieren, auch bei höheren Lebensformen. Das heißt: Wenn ein Gen, das verändert wurde, in einem höheren Lebewesen anwesend ist, gilt das Patent von Monsanto. Das warf natürlich hohe Wellen, weltweit und insbesondere in Nordamerika. Denn falls ein Unternehmen so etwas besitzen und damit kontrollieren kann, wo wird das enden? Was kann man dann darüber hinaus noch besitzen, vielleicht ein Insekt, eine Pflanze, ein Tier, und wer weiß, irgendwann vielleicht auch mal ein menschliches Organ oder einen ganzen Menschen. Der Oberste Gerichtshof hat daher auch entschieden, dass das Thema erneut im Parlament behandelt werden muss.

Ich möchte jetzt ein anderes Thema aufgreifen: Wie wirken sich GVOs in Europa und hier insbesondere auf die Landwirte aus? Erstens: Man kann GVOs nicht eingrenzen. Man kann nicht verhindern, dass sie sich weiter verbreiten, sei es durch Auskreuzung über Wind, Vögel oder auch Wasser oder landwirtschaftliche Praktiken.

Zweitens: Koexistenz ist nicht möglich, d.h. es ist nicht möglich, einerseits biologischen Landbau, konventionellen Landbau und zur gleichen Zeit GVOLandwirtschaft zu betreiben. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass die gentechnisch veränderten Gene dominant sind, d.h. wann immer sie in eine andere Pflanze eindringen, werden sie dort dominant. Mit anderen Worten: Es gibt keine Wahlfreiheit mehr. Die biologischen Landwirte können nicht weiter existieren, das gleiche gilt auch für den konventionellen Landbau. Und genau das ist bei uns in Kanada geschehen. Das komplette Saatgut von Raps und Soja ist bereits kontaminiert mit GVO.

Wenn man gentechnisch veränderte Organismen eingeführt hat, kann man sie nicht mehr zurückholen. Es handelt sich dabei um eine neue Lebensform, die es so in der Natur nie gegeben hat. Kein Wissenschaftler kann Ihnen garantieren, dass wir diese Lebensform jemals wieder aus der Natur zurückholen können.

Neben den Themen der Verunreinigung und der Koexistenz gibt es noch ein drittes wesentliches Thema, und zwar die Rechte, die den Landwirte genommen werden. Es geht hier um die Knebelverträge. Ich habe einige solcher Verträge mitgebracht. Der eine, den ich Ihnen jetzt zeige, ist von Monsanto (siehe Anhang). Einige davon stellen ganz klar fest, dass der Bauer nicht mehr das Recht hat, sein eigenes Saatgut zu verwenden. Sie müssen also immer das Saatgut von Monsanto kaufen. Und dazu muss man auch noch die Pestizide und andere Chemikalien von Monsanto kaufen. Man muss jährlich 35 Dollar pro Hektar Lizenzgebühren zahlen. Doch das Schlimmste ist, dass der Bauer mit Unterzeichnung des Vertrages Monsanto das Recht gibt, Gen-Spione auf das eigene Feld zu schicken. Monsanto hat eigene Polizeikräfte, die noch drei Jahre nach Abschluss des Vertrages kontrollieren dürfen, ob der Vertrag eingehalten wurde. Monsanto kann also Ihre Felder zu jeder Tages-und Nachtzeit besuchen. Monsanto darf auch überprüfen, was Sie angebaut haben. Egal, ob Sie das wollen oder nicht. Und eine andere Klausel ist: Falls der Bauer diese Regeln verletzt, darf er mit niemand anderem darüber sprechen. Nicht mit seinem Nachbarn, und vor allem nicht mit der Presse. Der Vertrag legt zudem fest, dass der Bauer Monsanto nicht verklagen darf. Mit anderen Worten: Der Bauer gibt seine gesamten Rechte auf. Der Bauer besitzt auf dem Papier noch sein eigenes Land und bezahlt Steuern dafür, aber er hat keine Kontrolle mehr darüber.

Ein anderes Thema, das von Monsanto oder anderen Unternehmen nie angesprochen wird, ist die Kontrolle über das Saatgut. In den schönen Broschüren von Monsanto steht: Wenn man seinen Nachbarn dabei erwischt, dass er Monsanto- Saatgut anbaut, möge man ihn doch bitte bei Monsanto anzeigen. Falls ein Bauer seinem Nachbar das antut, können Sie sich vorstellen, was passiert. Das ganze soziale Gefüge bricht zusammen. Als Bauern versuchen wir ja eigentlich, die Zusammenarbeit zu fördern. Angesichts dieser Verträge von Monsanto brechen aber alle Wünsche nach Zusammenarbeit zusammen. Es gibt keine Beziehungen mehr zwischen den Bauern. Es geht also nicht nur um GVO-Lebensmittel, es geht nicht nur um ein Gen wie das Terminator-Gen, sondern es geht um die Kontrolle über die ganze Gesellschaft durch diese Unternehmen. Und was damit geschaffen wird, ist eine Kultur der Angst.

Wir hätten uns in Kanada und den USA nie vorstellen können, dass wir als Bauern unsere Rechte verlieren würden. Und zwar nicht an die Regierung, sondern an Konzerne. 1996 wurden vier Arten von gentechnisch veränderten Pflanzen eingeführt. Seither wurden keine anderen Arten kommerzialisiert. Die Konzerne wollten allerdings weitere GVO-Pflanzen einführen, wie z.B. Weizen oder Reis. Aber es ist uns gelungen, das zu unterbinden. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, warum griffen die Bauern 1996 überhaupt darauf zurück? Der erste Grund ist, dass man ihnen mehr Ertrag versprochen hat. Dann hat man ihnen gesagt, dass die aus den Pflanzen hergestellten Lebensmittel hochwertiger seien. Und schließlich hat man ihnen versprochen, dass sie weniger Pestizide verwenden müssten.

Innerhalb kürzester Zeit ist genau das Gegenteil eingetreten. Der Sojaertrag ist innerhalb von 2 –3 Jahren um 15 Prozent gesunken, beim Raps um 7 Prozent. Auch die Qualität ist wesentlich schlechter, etwa 50 Prozent schlechter gegenüber derjenigen von biologisch oder konventionell produziertem Raps. Doch der wesentliche Punkt ist, dass wir jetzt rund drei mal mehr Pestizide brauchen als vorher, weil sich neue, sogenannte „Super-Unkräuter“ entwickelt haben. Ich erinnere sie an die Versprechen, die man uns Bauern in Kanada gemacht hat, und die nicht gehalten wurden, sondern genau ins Gegenteil gekehrt wurden. Und ich bin sicher, in anderen Ländern verspricht man den Bauern auch das Blaue vom Himmel. In Kanada müssen wir rund 80 Prozent der Lebensmittel, die wir herstellen, exportieren. Das wirtschaftliche Ergebnis ist für uns verheerend, es ist ein wahres Desaster. Wir können unsere Produkte in viele Länder dieser Welt nicht mehr exportieren, weil sie mit GVO verunreinigt sind. Es war ein wirtschaftliches Desaster für unsere Bauern: Sie konnten Ihre Produkte nur noch zum halben Preis absetzen, und sie hatten überhaupt Mühe, sie abzusetzen, weil viele Länder diese Produkte nicht wollen. Davon sind nicht nur die Bauern, die Raps oder Soja anbauen, sondern auch unsere gesamte Honigindustrie betroffen. Denn es gibt kaum noch Honig, der nicht mit GVO verunreinigt ist. Eine Biene kann nicht wissen, welche Pflanze gentechnisch verändert ist und welche nicht. Doch das schlimmste ist, dass der Raps zu den Kreuzblütlern gehört. Das ist eine sehr weit verbreitete Familie. Dementsprechend wird die Resistenz auf andere Kreuzblütler übertragen. Diese Familie umfasst auch alle Kohlarten, z.B.: Blumenkohl. Jetzt werden diese GVO-Gene von dem industriellen Raps auch auf die Pflanzen in den Gärten übertragen.

Ich werde heute nicht über das Thema Lebensmittel oder Umwelt sprechen, selbst wenn dass sehr wesentliche Themen sind. Ich werde mich darauf konzentrieren, was uns als Bauern passiert ist. 1996 hatten wir niemanden, der uns vorgewarnt hat. Aber Sie wissen es. Sie haben Leute, die sie gewarnt haben. Sie wissen, was für eine Entscheidung Sie treffen. Sie haben keine Entschuldigung, dass sie nicht wissen, was sie tun.

Für mich ist das wesentliche Thema, dass die Bauern ihre Rechte verlieren und nicht mehr ihr eigenes Saatgut anbauen können. Damit verlieren sie die Kontrolle über ihr Leben und vor allem über ihre Zukunft. Ich möchte noch einmal betonen, dass Sie noch die Wahl haben. Wir haben sie schon lange verloren, zumindest was Raps und Soja betrifft. Bei uns ist alles mit GVOs kontaminiert. Aber bei Ihnen ist das noch nicht der Fall. Sie haben noch die Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen. Ich möchte auch betonen, dass es für einen normalen Bauern sehr schwierig ist, sich vor Gericht gegen einen multinationales Unternehmen zu wehren. Wir wurden bedroht, man hat versucht uns einzuschüchtern, wir wurden belästigt. Monsanto hat wirklich versucht, unser Leben zur Hölle zu machen. Das also ist in Kanada und in den USA passiert. Uns ist es so ergangen, und auch Ihnen wird es so ergehen, wenn sie GVOs in der Schweiz zulassen.

Der Vortrag von Percy Schmeiser ist im MP3-Audioformat

Druckfassung

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