Für einen Bürger, der mit der Justiz nur wenig oder noch nichts zu tun hatte, mag die Überschrift dieses Artikels provokant klingen. Es gibt jedoch nicht wenige Menschen in unserem Land, die im Zuge eines Prozesses zu Unrecht schweren Schaden erlitten haben und deren Vertrauen in den Rechtsstaat tief erschüttert ist. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Verluste bis zur Zerstörung ihrer Existenzgrundlage, sondern auch um schwere psychische und soziale Belastungen, welchen diese Menschen im Zuge jahrelangen vergeblichen Prozessierens ausgesetzt sind und oft noch lange nachher darunter leiden.
Vielen bekannt ist der Fall der österreichischen Schifabrik Rohrmoser, die schon vor vielen Jahren auf sehr eigenartige Weise den Besitzer gewechselt hat, und wo schwere Zweifel an der Vorgangsweise der Justiz aufgekommen sind. Erst unlängst bekannt geworden ist der Fall des jungen Oberösterreichers Peter Heidegger, der wegen Mordes rechtskräftig verurteilt und acht Jahre im Gefängnis gesessen ist. Nach einer von seinen Eltern betriebenen Wiederaufnahme des Verfahrens wurde er nun freigesprochen, auf freien Fuß gesetzt und finanziell entschädigt. Aber wie könnte Geld je diesem Mann seine verlorenen Jahre ersetzen, oder seine erlittenen Seelenqualen kompensieren?
Sind solche Fälle bedauerliche aber unvermeidbare Einzelfälle, weil es eine absolut fehlerfreie Justiz nicht geben kann, oder sind es Einzelfälle in dem Sinne, daß ausnahmsweise ein falsches Urteil doch wieder aufgehoben wurde? Denn es ist eine Tatsache, daß in Österreich von 100 beantragten Wiederaufnahmeverfahren 99 von der Justiz zurückgewiesen werden. Selbst wenn zahlreiche Anträge nicht gerechtfertigt sein mögen, ist eine derart hohe Abweisungsquote höchst erschreckend und auf keinen Fall zu rechtfertigen. Die Bedingung für eine Wiederaufnahme von Verfahren ist, daß der Antragsteller ein "neues Argument" vorzubringen habe. Wie soll aber jemand ein neues Argument vorbringen, wenn er im Gefängnis sitzt, und es sich nicht leisten kann, einen Anwalt zu beauftragen, diese Sache von außen zu betreiben? Und wenn tatsächlich einem Richter ein Fehlurteil passiert ist, ist es doch unsinnig, ein "neues Argument" als Bedingung einer Wiederaufnahme zu verlangen. Das unwahrscheinliche Glück für die Familie Heidegger war, daß der tatsächliche Mörder mit seiner Tat psychisch offenbar nicht fertig wurde, und sich schließlich sogar öffentlich der Tat "rühmte". Das ist sicher nicht der Normalfall, aber einzig dieses "neuen Arguments" wegen wurde das Begehren auf die Wiederaufnahme des Verfahrens anerkannt.
Es stellt sich daher die Frage, wie viele Menschen heute unter den Folgen falscher Urteile leiden, die NICHT wieder aufgehoben wurden, weil in dem Justizapparat offenbar eine starke Neigung besteht, Fehler nicht einzugestehen und sich mit zweifelhaften Urteilen nicht weiter auseinanderzusetzen. Es ist daher anzunehmen, daß zahlreiche Fehlurteile auf diese Weise nie und nimmer richtiggestellt worden sind, mit entsprechenden emotionalen und finanziellen Folgen für die Betroffenen.
Diese sogenannte "Selbstkontrolle" der Justiz führt dazu, daß Richter de facto in einem geschützen Bereich agieren, in welchem Fehler unter den Teppich gekehrt werden können. Sie genießen somit ein Privileg, welches keine andere Berufsgruppe hat und wofür es keine gesetzliche Grundlage gibt. Auch wenn die Mehrzahl der Richter ihr Amt zweifellos engagiert und nach bestem Wissen und Gewissen ausübt, wie hier ausdrücklich betont werden soll, liegt hier eine enorme Versuchung zum Mißbrauch, und sei es nur die, einen übernommenen Fall nicht mit der angemessenen Sorgfalt zu prüfen, weil Konsequenzen im Falle eines Fehlurteils ohnehin nicht zu befürchten sind! Im schlimmsten Fall kann das bis zur Korruption und Deckung betrügerisch-krimineller Praktiken dritter gehen. Uns sind Fälle bekannt, bei denen dieser Verdacht sich massiv aufdrängt.
Ein Nebeneffekt dieser "Selbstkontrolle"-Regelung ist, daß die staatliche Finanzprokuratur nur äußerst selten Schadensersatzleistungen an durch die Justiz geschädigte Bürger erbringen muß.
Ein weiteres Problem in unserem Justizsystem ist ein finanzielles. Da man bei Zivilprozessen um Summen ab 5000 Euro verpflichtet ist, einen Anwalt zu nehmen, für eine durchschnittliche Anwaltsstunde aber heute bereits 300.- Euro verrechnet werden, kann sich ein Normalverdiener so einen Prozeß kaum mehr leisten, wenn er über keine Ersparnisse verfügt, und noch weniger, bei einem als ungerecht empfundenen Urteil in die nächste Instanz zur Berufung zu gehen. Die Familie Heidegger hat bis zur Aufhebung des Urteils 2 Millionen Schilling an Gerichts- und Anwaltskosten aufgebracht, die über Darlehen bei Verwandten und über Bankkredite finanziert wurden.
Die staatliche Verfahrenshilfe wird nur Personen gewährt, die unter ca. 1500.- Euro verdienen, und ihre Qualität dieses Dienstes ist sehr unterschiedlich. Davon abgesehen, gibt es nicht wenige Fälle, in denen Rechtsanwälte ihre Klienten nicht mit der nötigen Sorgfalt vertreten. Allerdings kann es sich kaum jemand leisten, nachdem er schon einen Prozess am Hals hat, auch noch seinen Anwalt zu verklagen, wenn er nicht von vornherein eine entsprechende gute /teure Rechtsschutzversicherung hat. Prozesse gegen Richter oder Staatsanwälte, die theoretisch möglich sind, beschreitet wegen der zusätzlichen Kosten und auch wegen der geringen Erfolgsaussichten praktisch niemand.
Als erster Schritt wäre es ein Gebot der Stunde, eine vom Justizapparat unabhängige Kontrollinstanz einzuführen, die bei Fehlurteilen angerufen werden kann, und die Wiederaufnahme eines Verfahrens verfügen kann. Folgende Zusammensetzung wäre denkbar: zwei Berufsrichter, zwei sachkundige Laienrichter und einen Polizeijuristen als Vorsitzenden, wobei bei Stimmengleichheit der Vorsitzende entscheidet. Ein weiterer Schritt, der der Minderung der finanziellen Belastung durch Prozesse dient, wäre eine wesentliche Anhebung der finanziellen Grenze, ab der Anwaltspflicht besteht, um das Mehrfache, zum Beispiel auf 50.000 Euro oder höher.
Einer Verwahrlosung der Rechtspflege durch in der Praxis kaum mehr zur Verantwortung ziehbare Richter und Anwälte sowie durch die enormen Kosten, die das Recht zu einer Frage über Sein oder Nicht-Sein eines gutgefüllten Bankkontos pervertiert, führt zum Niedergang einer Gesellschaft und dem muß energisch entgegengetreten werden.
Der Verein hat den Zweck, Menschen, die bei Banken, Behörden, Versicherungen etc. in Schwierigkeiten geraten sind, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und sie zu unterstützen. Der Verein ist gemeinnützig, unabhängig und unpolitisch. Die Betroffenen müssen sich aktiv an der Lösung ihrer Probleme beteiligen. Die Beratung ist kostenlos, für das erste Beratungsgespräch ist eine Mitgliedschaft nicht erforderlich. Tätigkeiten, die Rechtsanwälten und Notaren vorbehalten sind, können nicht übernommen werden. Der Verein wird durch Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert. Wir konnten schon vielen Menschen helfen und sie vor großem persönlichen und finanziellen Schaden bewahren.
BBSV, 4893 Zell/Moos, Birkenweg 2, Email: office@bbsv-oesterreich.at, www.bbsv-oesterreich.at Tel.: 0664/8207012 Obmann Hofrat Dipl.Ing. Robert Gangl