Arge Ja zur Umwelt, Nein zur Atomenergie



Gefährliche Chemikalien in Kunststoffen

Plastik - so schön, so praktisch,
so gefährlich

von Christiane Schmutterer (Neue Argumente 114, Februar 2010)
Teil 1 von 3
Druckfassung ganzer Artikel

Kunststoffe sind in unserem Leben allgegenwärtig. In einer breiten Öffentlichkeit herrscht immer noch die Vorstellung, Plastik verhalte sich in der Umwelt neutral, und das einzige Problem seien die in der Umwelt verstreuten Sackerln. Tatsächlich enthalten viele Kunststoffe giftige Substanzen, die sie ständig und nie wieder rückholbar an die Umwelt abgeben, und die über Nahrung, Luft oder Hautkontakt auch vom Menschen aufgenommen werden. Bei rund 90% der Menschen in der westlichen Welt lassen sich solche Chemikalien im Körper nachweisen und sie sind wahrscheinlich für zahlreiche Zivilisationskrankheiten verantwortlich.

Weltweit werden pro Jahr fast 240 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt, wofür vier bis sechs Prozent der weltweiten Erdölproduktion verbraucht werden. Allein in Europa werden jedes Jahr 60 Millionen Tonnen Plastik produziert. Die Kunststoffindustrie macht 800 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Die Menge Kunststoff, die auf der Erde seit Erfindung des Plastiks produziert wurde, würde ausreichen, um unseren gesamten Erdball sechs mal mit Folie einzupacken. Die größten Einsatzgebiete für Kunststoff sind: Verpackungen (33%), Bauwesen (25%) und Elektrotechnik und Elektronik (25%).

Nur geringe Mengen der Kunststoffabfälle werden recycelt. Achtzig Prozent der Abfälle, laut UNO jährlich rund 6 Millionen Tonnen, gelangen über Flüsse in die Ozeane: Schätzungen zufolge werden weltweit jede Stunde 675 Tonnen Müll ins Meer geworfen, die Hälfte davon aus Plastik. Plastik baut sich nicht biologisch ab, sondern es zerfällt nur in immer kleinere Teilchen. Der Sand an den Küsten besteht bereits zu einem gewissen Prozentsatz aus Kunststoff. Im Pazifik hat sich östlich von Hawaii ein gigantischer Wirbel aus drei Millionen Tonnen Plastikmüll gebildet, der sich durch die Meeresströmung im Kreis dreht. Die Plastikteile werden durch die Einwirkung von Wind, Sonne und Wellen zu immer kleineren Teilchen zerrieben. Die ozeanische Müllhalde wächst kontinuierlich und ist nach Einschätzung von Wissenschaftlern schon doppelt so groß wie der US-Bundesstaat Texas. Für viele Meerestiere sind kleine Plastikteilchen ein großes Problem, da sie diese mit Nahrung verwechseln, und deshalb jedes Jahr hunderttausende qualvoll verenden, oder durch giftige Inhaltsstoffe geschädigt werden. Auch in anderen Meeren gibt es solche Müllkarussells, wenn auch etwas kleiner.

Problematische Inhaltsstoffe

Plastik ist nicht gleich Plastik. Kunststoffe können aus natürlichen Rohstoffen hergestellt werden – wie zum Beispiel Gummi aus dem Saft des Gummibaumes - oder synthetisch auf der Basis von Erdöl. Der weit überwiegende Teil der heute gebräuchlichen Kunststoffe wird synthetisch produziert. Durch Herstellungsweise und chemische Additive lassen sich die Eigenschaften wie Formbarkeit, Härte, Hitzebeständigkeit, etc. in weitem Ausmaß beeinflussen, was Plastik zu einem so vielseitigen verwendbaren und schier unersetzlichen Werkstoff macht. Manche Kunststoffarten sind weitgehend unbedenklich, andere setzen bei der Produktion, Gebrauch oder Entsorgung problematische Substanzen frei. Einige davon sind heute im Gewebe von Menschen auf der ganzen Welt nachweisbar, und stehen im Verdacht, für die Zunahme zahlreicher Zivilisationskrankheiten verantwortlich zu sein.

„Es ist überall. Es ist in unserem Essen, in unseren Schuhen, in unseren Kleidern. Es ist in unseren Autos, einfach überall. Wir wissen von der Zunahme von Allergien, von Krebs, von all den Problemen mit endokrin / hormonell wirksamen Stoffen.“

„Wissen Sie, daß wir innerhalb von 10 Jahren eine Risikobewertung von 11 Schadstoffen durchführen konnten? Aus den 100.000 Schadstoffen, die wir überprüfen sollten? Wir haben 10 Jahre gebraucht und wir haben 11 Schadstoffe überprüft, und natürlich ist das ein System, das nicht funktioniert. Und solange wir nicht Bescheid wissen, solange wir nicht die vollständigen Informationen haben, kann die Industrie natürlich sagen: „Ihr könnt nicht belegen, daß es gefährlich ist, also können wir es weiter produzieren
und ihr es verwenden."


Margot Wallström, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission
in dem Film „Plastic Planet“ von Werner Boote

Bisphenol-A

Bisphenol-A (BPA) ist eine der meistproduzierten Chemikalien weltweit. Allein ein Europa werden davon im Jahr über eine Million Tonnen verarbeitet, Tendenz steigend. BPA ist Hauptbestandteil von des Kunststoffs wie Babyfläschchen, Lebensmittelverpackungen, Wasserkocher, CDs und Autoteile hergestellt werden. Die Chemikalie wird auch für Epoxidharzlacke und für die Beschichtung von Konservendosen oder Plastikfolien verwendet, und wird ständig aus diesen Produkten freigesetzt, besonders bei Erwärmung oder beim Kontakt mit Säuren oder Basen. Bisphenol-A läßt sich im Körper von 90% der Menschen in Industrieländern nachweisen: im Blut, Urin, Fruchtwasser, im Gebärmuttergewebe und im Blut der Nabelschnur.

Schon lange gibt es Bedenken bezüglich einer Schädlichkeit dieser Chemikalie. BPA gehört zu den Stoffen, die als endokrin wirksame Substanzen bezeichnet werden, weil sie hormonartige Wirkung haben und damit bereits in geringsten Dosen in das Regelsystem des Körpers eingreifen können. BPA steht im Verdacht, dauerhafte Veränderungen des Nerven- und Hormonsystems herbeizuführen. Es wird mit Entwicklungsund Verhaltensstörungen in Verbindung gebracht, wie Schädigung der Hirnentwicklung oder verfrühter Geschlechtsreife bei Mädchen, aber auch mit verringerter Fruchtbarkeit (Abnahme der Spermienzahl und Fehlbildungen der Sexualorgane), Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, ja sogar mit Erbgutschäden und Krebs. Am empfindlichsten reagieren Embryonen und Kleinkinder auf Chemikalien, ausgerechnet bei diesen wurde regelmäßig die höchste Belastung festgestellt.

Doch während die meisten öffentlich finanzierten Studien im Tierversuch Beeinträchtigungen durch BPA feststellen (153 von 167) kamen alle 13 von der Industrie finanzierten Studien zu dem Schluß, die Chemikalie sei eher harmlos1. Auch die Übertragbarkeit negativer Ergebnisse aus dem Tierversuch auf Menschen wurde immer wieder angezweifelt. Im Jahr 2008 zeigten allerdings zwei Studien unabhängig voneinander eindeutige negative Auswirkungen von Bisphenol-A auch beim Menschen: Ein Forscherteam an der Universität Cinncinati stellte eine durch die Chemikalie bewirkte Unterdrückung des Hormons Adiponectins im menschlichen Fettgewebe fest, das vor einer Reihe von häufigen Stoffwechselstörungen schützt, die zu lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Diabetes II und Herzinfarkt führen können2. Unabhängig davon kam ein englisches Forscherteam auf einem anderen Weg ebenfalls zu dem Ergebnis, daß ein Zusammenhang zwischen Bisphenol-A und dem Auftreten von Herzinfarkt und Diabetes besteht3.

Im Jahr 2007 hatte die zuständige EU-Behörde EFSA den Grenzwert für die maximale tägliche Aufnahmedosis von BPA allerdings noch um das Fünfache hinaufgesetzt. Der deutsche Bund für Umwelt und Naturschutz bezeichnet in einer Publikation die offizielle harmlose Bewertung von Bisphenol-A in der EU angesichts der wachsenden Beweislast als Skandal4.

Weichmacher (Phtalate)

Welche Eltern denken sich schon was dabei, wenn sie für ihre Kinder einen Wasserball kauften, daß das Mundstück krebserregende Weichmacher enthalten könnte? Weichmacher (Phtalate) gehören zu den häufigsten Industriechemikalien. Sie werden Kunststoffen, vor allem PVC (Polyvinylchlorid), beigemischt, um diese elastisch und biegsam zu machen. Der typische Neuwagengeruch im Auto oder der eines neuen PVC-Bodenbelags wird durch ausdunstende Weichmacher verursacht. Phtalate sind in großen Mengen in Bodenbelägen und Kunststoffverkleidungen (Auto) enthalten, aber auch in Lacken, Anstrich- und Beschichtungsmitteln, Dichtungsmassen, Gummi-Artikeln, Klebstoffen oder Kosmetika (Haarspray, Nagellack), sowie in zahlreichen medizinischen und pharmazeutischen Produkten. Weichmacher sind chemisch nicht fest mit dem Kunststoff verbunden und gelangen über Ausdunstung oder Auslösung in die Umwelt.

Weichmacher sind kanzerogen , entwicklungsschädigend und beeinträchtigen die Fortpflanzungsfähigkeit. Neue Studien zeigen, daß Unfruchtbarkeit bei Männern im Zusammenhang mit einer erhöhten Phtalatbelastung stehen könnte. Sie stehen auch im Verdacht, Asthma und Allergien auszulösen. Verschiedene Weichmacher wirken unterschiedlich schädlich. Einige Weichmacher (DEHP, DBP und BBP) wurden mittlerweile in der EU als gefährliche Chemikalien eingestuft und wenigstens für Babyartikel und Kinderspielzeug verboten, allerdings werden 80% dieser Waren importiert. Phtalate sind fettlöslich. Aus diesem Grund werden immer wieder erhöhte Konzentrationen besonders in fetthaltigen Lebensmitteln gefunden, weil diese bei der Verarbeitung, Transport oder Lagerung mit Weichmachern in Kontakt gekommen sind – wie sie zum Beispiel in den Beschichtungen von Lebensmittelverpackungen wie Schraubverschlüssen, Dosendeckeln etc. enthalten sind. In Österreich sind sie mittlerweile - mit einigen Ausnahmen - bei Lebensmittelverpackungen verboten. In einem Kilo Hausstaub finden sich heute schon ein halbes Gramm (so viel wie eine Aspirintablette) Weichmacher. Ein Ende ist nicht abzusehen, denn die weltweite Jahresproduktion beträgt 5 Millionen Tonnen. Spuren von Phtalaten und ihrer Abbauprodukte lassen sich heute im Körper fast aller Menschen feststellen.

Neunzig Prozent der Weichmacher werden für die Produktion von PVC eingesetzt, Weich-PVC kann bis zu 70% Weichmacher enthalten. PVC verursacht von seiner Herstellung bis zur Entsorgung eine Reihe gravierender Gesundheits- und Umweltprobleme. Arbeiter in der PVC-Produktion haben das Risiko, an Lungen und Gelenken zu erkranken (VC-Krankheit). Die Entsorgung von PVC ist ein großes Problem, da sich bei der Verbrennung Chlor und hochgiftige Dioxine bilden. Ein Recycling wurde von der Industrie beworben, ist aber tatsächlich nur mit hohem Kostenaufwand möglich, sodaß nach einer Schätzung von Greenpeace derzeit nur 1% PVC wiederverwertet wird5. Nichtsdestotrotz wächst die weltweite PVC-Produktion, derzeit 34 Millionen Tonnen, um 5% pro Jahr.

PAK oder 1000 Zigaretten in der Stunde

PAK (Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) sind natürlicher Bestandteil von Erdöl und Kohle. Sie entstehen auch bei unvollständigen Verbrennungsprozessen von organischen Stoffen wie Kohle, Heizöl, Treibstoff oder Holz, und gelangen so in die Atemluft. Die Hauptquellen von PAK-Belastung sind der Verkehr und schlechte Öfen. PAK finden sich aber auch im Tabakrauch, und auch in bestimmten Lebensmitteln wie gegrillten oder geräucherten Fischund Fleischprodukten. Doch welcher Heimwerker denkt schon an eine Gefahr, wenn er/sie einen gummierten Werkzeuggriff zB. eines Drehschraubenziehers in die Hand nimmt? Wenn die Hand danach in ultraviolettem Licht bestrahlt wird, könnte ein weißes Schimmern an den Stellen des Hautkontaktes sichtbar werden – Spuren von PAK, die aus dem kontaminierten Gummi auf die Haut gelangt ist. Denn für weiche Kunststoffe und Gummis werden oft, um Kosten zu sparen, billige verunreinigte Erdöle als Weichmacher eingesetzt, was zu einer erhöhten PAKKonzentration in zahlreichen Verbraucherprodukten führt, die über die Haut vom Menschen aufgenommen werden kann.

Viele PAK-Verbindungen sind krebserregend, schädigen die Entwicklung des Säuglings im Mutterleib oder sind fortpflanzungsgefährdend. Benzo(a)pyren gilt als der giftigste PAK, bei dem alle diese Eigenschaften vereint sind. Für PAK gibt es keine Grenzwerte, nur Richtwerte, und deren Formulierung allein erregt schon Besorgnis: da wird unterschieden zwischen Gegenständen, mit denen normalerweise nicht länger als 30 Sekunden Hautkontakt besteht, und solchen, bei denen dieser länger besteht. Eine Untersuchung des TÜV Rheinland mit im Handel gekauften Verbraucherprodukten hat gezeigt, daß zahlreiche Kunststoffartikel mit PAK teilweise schwer belastet sind, und nur ein Bruchteil der getesteten Produkte (6 von 27) hielten den Richtwert ein6. Eine Autolenkradhülle wies eine Konzentration auf, die das 140-fache des Richtwerts betrug. Eine Stunde Autofahren würde zur Aufnahme einer Menge der gefährlichsten PAK-Verbindung Benzo(a)pyren führen, die dem Konsum von 1000 Zigaretten entspricht. Ein Schraubendreherset überschritt den Grenzwert um das 1000fache, das ein anderen Herstellers hielt den Grenzwert genau ein. Verbraucher haben selbst nur wenige Möglichkeiten, sich gegen den Kauf von PAK-belasteten Produkten zu schützen. Eine gewisse Sicherheit geben Produkte mit dem GS-Prüfzeichen, da dieses bei zu hohen PAK-Konzentration nicht vergeben wird. Außerdem sollte man sich auf seine Nase verlassen, und Gummi- oder Kunsstoffprodukte meiden, die stark riechen oder stinken. Dies entspricht nicht dem Stand der Technik und kann ein Hinweis auf eine hohe PAK-Belastung sein.

Acetaldehyd in kohlensäurehältigen PET- Flaschen

PET ist ein Kunsstoff, der vor allem für Getränkeflaschen, sowie Verpackungen von Lebensmitteln und Kosmetika verwendet wird. PET-Flaschen geben mit der Zeit in geringen Dosen Acetaldehyd und Antimon in die Flüssigkeit ab. Acetaldehyd steht im Verdacht, Krebs zu erregen. In einer vom Verein für Konsumentenschutz durchgeführten Untersuchung war die Chemikalie auch in zahlreichen in PET- Flaschen abgefüllten kohlensäurehältigen Mineralwässern nachweisbar, allerdings um zwei Zehnerpotenzen unter dem EU-Grenzwert. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält sowohl die Dosis von Acetaldehyd als auch von Antimon in PET-Flaschen wegen der geringen Menge für unbedenklich. Wer sicher gehen will, trinkt aus PET-Flaschen nur kohlensäurefreie Getränke – hier war kein Acetaldehyd nachweisbar - oder wechselt zu Glasflaschen.

Fortsetzung Teil 2

Seite drucken