Von August Raggam
Welchen Stellenwert wird die Biomasse in Österreich in den nächsten Jahren einnehmen? Ich bin überzeugt davon, daß in zehn Jahren mindestens 50% der Gesamtenergie in Österreich durch Biomasse produziert werden könnte. In den Händen der Bauern wird in Zukunft nicht nur die Erzeugung gesunder Lebensmittel liegen, sondern auch die Bereitstellung der Rohstoffe für die Strom- und Wärmeproduktion. Der Bauer wird Häuser und Kraftwerke mit seinen hochwertigen Biomassebrennstoffen beliefern und kann daraus ein gutes, gerechtes und sicheres Einkommen haben.
Jene, die heute noch sehr gut vom Verkauf fossiler Energien leben, sollen über meine Ansichten ruhig mitleidig lächeln. Ich bin aber trotzdem von der explosionsartigen Entwicklung der Biomasse-Energie überzeugt.
Aus drei Gründen kann die Biomasse-Energie bereits in naher Zukunft bei der Verdrängung von Öl, Gas, Kohle und Atomkraft erfolgreich sein: weil sie zahlreiche inländische Arbeitsplätze schafft, weil sie der weltweit beoachtbaren Zunahme extremer Wetterverhältnisse entgegenwirkt und weil sie, richtig angewendet, zur Entgiftung schadstoffbelasteter Böden und damit zu unserer aller Gesundheit beiträgt.
In keinem anderen Bereich können so rasch und einfach so viele Arbeitsplätze geschaffen werden wie bei der Bereitstellung von Biomasse zu Heizzwecken. Statt unsere inländische Biomasse verrotten und unsere Bauern verarmen zu lassen, könnten wir aus diesem bisherigen "Abfall" (Stroh, Pflanzenabfälle, Hackschnitzel, etc.) einen wahren Schatz heben: Mit den riesigen Geldbeträgen, die wir derzeit für Öl-, Gas- und Kohleimporte ausgeben (ca. 60 Milliarden Schilling), können wir 200.000 sichere Arbeitsplätze schaffen - in Land- und Forstwirtschaft, in Gebäudesanierung und Energiespartechnik, und in Produktion und Vertrieb von Biomasseheizungen. Gerade strukturschwachen ländlichen Gebieten (deren Politiker gegenwärtig bei transnationalen Konzernen um Arbeitsplätze betteln gehen müssen) könnte so zu Unabhängigkeit und regional begründetem Wohlstand verholfen werden. Die immer offensichtlicher werdende Dummheit, Energie zu importieren und die erneuerbaren Energiequellen im eigenen Land nicht zu nutzen, können wir uns politisch und wirtschaftlich einfach nicht mehr leisten. Die Energiepolitik Österreichs (und vieler anderer Länder) ist wie eine Hausfrau, die ihren eigenen herrlichen Salat im Garten verrotten läßt, weil gerade Salat am Markt billig angeboten wird. Mit Recht wird man solches Handeln als verrückt bezeichnen.
Die jährlich zunehmenden Sturmschäden, die Wandlung weiter Landstriche in Wüsten sind in Wirklichkeit schon lange nicht mehr finanzierbar.
Die Zunahme extremer Wetterverhältnisse (zu heiß und trocken, oder zu feucht, Niederschläge zu unwirksamer Zeit, Überschwemmungen, Stürme) bringen uns zum Nachdenken und verstärken den Druck auf verantwortliche Politiker, Lösungen für diese Probleme zu finden. In einer von der EU beauftragten Studie des Frauenhofer-Instituts "Die Kosten des Klimawandels" werden jährliche Gesamtschäden von DM 3000 je Tonne zusätzlich freigesetztes CO2 angegeben. Nach diesen Berechnungen hätte das Ausmaß der ohnmächtig geduldeten Umweltzerstörung in Österreich bereits das dreifache des jährlichen Staatsbudgets erreicht.
Das durch den Treibhauseffekt bewirkte Klimaproblem hat im wesentlichen zwei Ursachen: die erste ist, allgemein bekannt, daß durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas, zusätzliches CO2, welches Millionen von Jahren in den Tiefen der Erde gebunden war, in den oberirdischen Kreislauf eingebracht wird. Die zweite Ursache ist weitgehend unbekannt, obgleich vergleichbar schwerwiegend: durch die intensive moderne Landwirtschaft mit Kunstdünger werden lebenswichtige Humusschichten abgebaut und das im Humus gespeicherte CO2 freigesetzt, und zwar in Mengen, die möglicherweise den CO2-Ausstoß durch fossile Brennstoffe noch übertreffen.
Nun wird leider noch allgemein das Klimaproblem der Freisetzung von CO2 aus Öl, Gas und Kohle allein zugeschoben. Es gibt allerdings Wissenschaftler, die meinen, mehr CO2 in der Atmosphäre und dadurch bedingte höhere Temperaturen müßten positive Auswirkungen insofern haben, als Pflanzen unter solchen Bedingungen besser wachsen und die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln sicherer zu erreichen wäre. Doch wir haben die Grundzusammenhänge noch nicht ganz durchschaut. Denn damit Pflanzen mehr CO2 verarbeiten und besser wachsen können, muß auch mehr Wasser für den Nährstofftransport in der Pflanze und zur Verdunstung über die Blätter vorhanden sein. Pflanzen können also auf höhere Temperaturen nur dann mit erhöhter CO2-Verarbeitung reagieren, wenn sie genügend Wasser zur Verfügung haben.
Nun haben wir aber übersehen, daß die weltweit über 50 Jahre betriebene chemische Bearbeitung des Bodens das Bodenleben geschädigt und zerstört hat. Dies hat zu einer Bodenverdichtung und zu immer stärkerer Bodenbearbeitung durch den Landwirt geführt. Auf diese Weise wurde zuviel Sauerstoff zu jahrtausend alten Humusschichten gebracht und der Humus wegoxidiert. In den Intensivackerflächen der Welt ist der Humusanteil im Boden von etwa 5-8% auf 1-2% geschwunden. Die klimarelevanten Aufgaben der Humusschichten hat die Klimaforschung bis heute nicht erkannt. Humus hat die Aufgabe, Wasser im Boden wie ein Schwamm zu speichern und jederzeit ausreichend für die Pflanze zur Verfügung zu stellen. Ist im Boden aber zu wenig Humus vorhanden, können Pflanzen nicht mehr auf erhöhten CO2-Gehalt und höhere Temperaturen mit verstärktem Wachstum reagieren, weil ihnen das notwendige Wasser fehlt. Der Grundwasserspiegel sinkt, und mit ihm die landwirtschaftlichen Erträge. Selbst in unseren Breitengraden müssen schon künstliche Bewässerungsmethoden in Erwägung gezogen werden. Doch welche Auswirkungen hat das alles auf das Klima? Zur Erklärung ein kleiner Exkurs in die Erdgeschichte:
Vor etwa drei Milliarden Jahren bestand unsere Erdatmosphäre vorwiegend aus riesigen CO2-Mengen. Etwas 4/5 der Erdoberfläche waren bereits Wasser, es gab aber noch keine Humusschichten und keinen Pflanzenbewuchs. Das Klima war extrem heiß und stürmisch. Heiß, weil durch den hohen CO2-Gehalt in der Atmosphäre die Wärmeabstrahlung blockiert war, und stürmisch, weil die Luft über dem Meer durch die Verdunstung relativ schwer und kühl blieb, während auf dem durch keine wasserhaltenden Böden oder Pflanzenkleid geschütztem Land die Sonneneinstrahlung zu hohen Temperaturen und sich ausdehnender leichter Luft führte. Die Folge waren Ausgleichsströmungen in Form von wilden Stürmen.
Es dauerte Milliarden Jahre erdgeschichtlicher Entwicklung, bis durch beginnendes Pflanzenwachstum allmählich das CO2 aus der Luft gefiltert wurde und in verschiedenen Speichern (oberflächliches Pflanzenkleid, Humusschichten, fossile Lager und Meer) abgelagert und durch die Photosynthese lebenswichtiger Sauerstoff gebildet wurde. Die durch Pflanzenverottung sich langsam bildenden Humusschichten bewirkten ein hohes Wasserspeicherungsvermögen des Bodens und ermöglichten damit eine Wasserverdunstung über den Boden und über die Blätter der auf ihm wachsenden Pflanzen. So wurde schließlich auf den Landflächen etwa dieselbe Wasserverdunstung erzielt wie über den Meeresflächen. Dadurch wurde das Temperatur- und Luftdruckgefälle zwischen Land und Meer ausgeglichen und in der Folge gab es nur mehr geringe Ausgleichsströmungen, so daß gute Bedingungen für die Entwicklung des Menschen gegeben waren.
Wenn nun heute durch die ständige Degenerierung des Bodens durch intensive Landwirtschaft Boden und Pflanzen nicht mehr soviel Wasser speichern und verdunsten können, kommt es wegen der fehlenden Verdunstungskühlung zu einer Erhöhung der Lufttemperatur über dem Land gegenüber der Lufttemperatur über dem Meer. Das bewirkt ein vermehrtes Auftreten heftiger Stürme, Trockenperioden etc., wie wir sie in jüngster Vergangenheit immer wieder zu spüren bekamen. Es gibt auch Anzeichen dafür, daß regionale Trockenperioden auch gerade dadurch mitbedingt und wenigstens zum Teil “hausgemacht” sind, weil in diesen Gegenden zuwenig Verdunstung stattfindet.
Die Problemlösung ist einfach: Wollen wir überleben, brauchen wir uns nur wieder in die Kreisläufe der Natur einzufügen. Hierzu ist es notwendig, den fossilen Energieeinsatz und die Atomenergie durch Sonnenenergieformen zu ersetzen. Die Biomasse als gespeicherte Sonnenenergieform ist universell einsetzbar. Da die Klimaprobleme schwerpunktsmäßig von der Landwirtschaft mitverursacht werden, liegt die Lösung im Übergang auf eine flächendeckende ökologische Landwirtschaft, die den CO2-Ausstoß der konventionellen Landwirtschaft vermeidet und darüber hinaus in der Lage ist, neben gesunden Lebensmitteln auch ausreichend Biomasse zur Wärme- und Stromerzeugung zur Verfügung zu stellen, um Öl, Gas, Kohle und Kernenergie zu verdrängen. Mit den derzeit ungenutzten Nutzpflanzen der Erde könnte der jährliche Weltenergieverbrauch ca. 10 Mal abgedeckt werden. Die ökologische Landwirtschaft könnte bis zu 1 % Humus pro Jahr in den durch die chemische Landwirtschaft der letzten 50 Jahre geschädigten Ackerflächen wieder aufbauen, wodurch das überschüssige, gefährliche CO2 der Atmosphäre im Humus abgespeichert werden könnte und die Klimaverhältnisse sich wieder normalisieren würden.
100 Jahre organische Chlorchemie haben sehr giftige, langlebige organische Chlorverbindungen in unsere Umwelt freigesetzt. Praktisch in jedem Kubikzentimeter Erde, Luft oder Wasser können diese Reststoffe nachgewiesen werden. Organische Chlorverbindungen sind meist wasserlöslich und reichern sich im Lebensmittelzyklus über Pflanze und Tier auch im menschlichen Organismus an. Bereits winzige Mengen dieser Stoffe können nachweislich krebserregend wirken. Immer mehr Wissenschaftler sehen in diesen organisch chlorierten Giften in unserer Umwelt den wahren Grund für die zahlreichen Zivilisationskrankheiten, deren Symptome die Medizin in den Griff zu bekommen versucht, ohne die Ursachen dafür zu kennen. (Anm. d. Red.: Wer weiß, wenn man die Milliardenbeträge, die man bisher in die Krebsforschung gesteckt hat, stattdessen zur Entgiftung unserer Lebenswelt ausgegeben hätte, vielleicht hätte man dann des Übels Wurzel gepackt statt Symptome zu bekämpfen...?!)
Doch wie kann man vergiftete Böden wieder reinigen? Auch hier bietet Energiegewinnung durch Biomasse einen Ausweg. Da Pflanzen zur Klimaregulierung etwa 100 mal mehr Wasser aufnehmen und verdunsten, als sie zum Aufbau ihrer eigenen Substanz brauchen, nehmen sie auch diese Schadstoffe entsprechend konzentriert auf. Im Fleisch der Tiere, die diese Pflanzen fressen, sind diese Stoffe dann schon mit einem Faktor 1000 angereichert, deshalb lebt der Vegetarier schon allein aus diesem Grund gesünder als der Fleischesser.
Die einzige Chance, unsere Böden von diesen Chlorverbindungen zu befreien, ist, einen Teil der landwirtschaftlichen Biomasse-Produktion nicht zu Lebensmitteln bzw. Tierfutter zu verarbeiten, sondern zur Energiegewinnung zu verbrennen. In Öfen mit Verbrennungstemperaturen zwischen 600° und 1000° C wird nämlich das Chlor aus den Giftstoffen herausgeschleudert und zu ungiftigen anorganischen Kreislaufprodukten (Kochsalz und Salzsäure) umgewandelt. Wir können daher erwarten, daß bei konsequenter Biomasse-Verbrennung nach 10 - 100 Jahren unsere Böden wieder giftfrei sein werden, vorausgesetzt, man hört mit der weiteren Freisetzung organischer Chlorverbindungen endgültig auf.
Die Zunahme und Verbreitung eines derart hoffnungsvollen Wissens wird den Siegeszug der Biomasse-Energie beschleunigen.
Wann werden wir im Fernsehen Werbung für Bioenergie sehen - analog der heutigen Werbung für das nicht besonders umweltfreundliche Gas - etwa wie folgt:
Die Zukunft in unserer Hand von August Raggam
Unsere Bauern versorgen uns ausreichend mit erneuerbarer Energie. Eine 100%ige Versorgung Österreichs mit erneuerbaren Energien ist möglich. Besonders das Potential der Biomasse wird immer noch weit unterschätzt.
Die lautlosen Schwerarbeiter des Weltklimas. Über das raffinierte Klima-Regulationssystem der Natur mittels Pflanzen und Mikroorganismen und welchen Einfluß die Landwirtschaft darauf hat.
Zehn wissenschaftliche Fehlmeinungen zum Klimawandel
Die Kernspaltung und Kernfusion seien CO2- neutral; Biomasse sei ein knappes Gut; das CO2-freie Kohlekraftwerk sei eine Zukunftschance...
von August Raggam
Ein für Laien und wissenschaftlich Interessierte gleichermaßen spannendes Buch über das raffinierte Regelsystem der Natur, die Gefahren des Klimawandels, und Beweise für das enorme Potential erneuerbarer Energien und von Biomasse, welche die Fossilenergien Öl, Gas, Kohle und Atomenergie hundertprozentig ersetzen können. Mit zahlreichen Tabellen und Grafiken. 157 Seiten, Preis: 10 Euro.
Hrg. Ökosoziales Forum Österreich, Wien 2004,
ISBN 3-9501869-0-5 Bestellungen: Tel. +43 1 533 0797-0, Fax +43 1 533 0797-90