Arge Ja zur Umwelt, Nein zur Atomenergie



Energieautarkie Österreichs: 100% Versorgung Österreichs mit erneuerbaren Energien sind möglich - Potential von Biomasse weit unterschätzt

Die Zukunft in unserer Hand

Unsere Bauern versorgen uns ausreichend mit erneuerbarer Energie. Berechnungen zeigen, daß eine 100%ige Versorgung Österreichs mit erneuerbarer Energie möglich ist. Das Potential der Biomasse wird immer noch stark unterschätzt.

von Univ.-Prof. Dr. DI August Raggam

Stellen Sie sich vor, Sie beauftragen einen Experten mit einer Schätzung, ob ihr Garten Ihre Familie ernähren kann, weil die Preise im Supermarkt stark steigen. Der Experte kommt zu dem Resultat, der Garten ist zu klein, Sie müssten leider weiter Nahrungsmittel zukaufen und empfiehlt, viel Geld in ein Projekt zu investieren, das in 40 Jahren reiche Ernte am Mond ermöglichen soll. Stellen Sie sich vor, Sie entdecken schließlich, daß der Experte bei Ihren Obstbäumen nur jene Früchte als Ernte berechnet hat, die bequem vom Boden aus zu pflücken sind.

Nach diesem Schema läuft jetzt die Energiepolitik in der EU: Einige kleine Lieferprobleme und Preiserhöhungen am Öl- und Gasmarkt, und schon rückt der alte Traum von der Kernspaltung und Kernfusion wieder in den Vordergrund. Die ohnehin schon hohen Förderungen für die Atomenergie wurden nun für das neue Forschungsbudget verdreifacht, der Großteil dieser Mittel wird in die Kernfusionsforschung gehen. Österreich trägt diese Politik und ihre Kosten mit. Dies steht in offenem Widerspruch zu dem laut Umweltministerium bestimmten Ziel, in Österreich durch einen 100% Umstieg auf erneuerbare Energien unabhängig vom Erdöl und sonstigen begrenzten Ressourcen zu machen.

Was erkennen wir daraus?

  1. Daß es sich bis zu vielen Politikern und Energieexperten noch nicht herumgesprochen hat, dass man den Weltenergiebedarf von derzeit ca. 110.000 Mrd. kWh pro Jahr zur Gänze mit erneuerbarer Energie decken könnte. Stattdesssen wird weiter von der Kernfusion geträumt, in die im vergangen halben Jahrhundert Milliardenbeträge investiert wurden, ohne daß es einen konkreten Erfolg vorzuweisen gäbe.
  2. Daß der Wille zu einer zentralen Struktur der Energieversorgung und einem entsprechendem Machtmonopol ungebrochen ist, und die Konsumenten unnötigerweise weiter in Abhängigkeit von Strom-, Gas- und Ölleitung gehalten werden sollen.
  3. Die Sonne strahlt jeden Tag mehr als die 6000fache Menge des täglichen Weltenergieverbrauchs auf unsere Erde. Diese in der Schöpfung grundgelegte nachhaltige, dezentrale und somit verlustarme Möglichkeit der Versorgung aller Menschen mit ausreichend Energie und Lebensmitteln aus dem grünen Produktionssystem der Erde wird weiterhin ignoriert oder gar bewußt verschwiegen.
  4. Seit einem Jahrhundert fällt die industrialisierte Welt von einem Rauschzustand in den anderen: vom Kohlerausch über den Öl-, Gas- und Atomspaltungsrausch in den Kernfusionsrausch. Der sich bereits einstellende Kater – Unwetterkatastrophen durch den Klimawandel, drohende Kriege ums knappe Erdöl – wird mit weiter Berauschung zu unterdrücken gesucht, statt endlich umzusteuern.
  5. Es ist höchste Zeit, grundlegendes ökologisches Wissen zu verbreiten, damit wir rasch und mit aller Kraft den hoffnungsvollen Weg der Wiedereinbindung all unseres Handelns in das seit Milliarden Jahren für uns entwickelte Ökosystem Erde betreiben.

Voraussetzungen für diesen neuen Weg

Es muss belegt werden, daß ausreichend und nachhaltig Sonnenenergieformen, vor allem Biomasse, für alle Menschen vorhanden sind. Aus Bild 1 sehen wir, dass der heutige Weltenergiebedarf von 110.000 Mrd. kWh pro Jahr 6330 mal aus der direkten Sonneneinstrahlung gedeckt werden kann. Die Biomasse allein könnte 5 mal und mit entsprechender Forschung 50 mal den Weltenergiebedarf decken- sie hat mit 90% das höchste nutzbare Potential aller Sonnenenerigeformen, bezogen auf das theoretische Potential. Es ist ein interessantes Phänomen, daß hochintelligente Wissenschaftler (darunter Nobelpreisträger) immer noch die Sonnenenergie verniedlichen und die Zukunft nach wie vor mit den fossilen und atomaren Energieträgern meistern wollen. Ökologische Unwissenheit (Dummheit) oder Gier lassen uns weiterwursteln und kostbare Rohstoffe verfeuern, statt sie in der Tiefe der Erde schlummern zu lassen um unser Überleben zu ermöglichen (1).

Selbst wenn die tatsächliche Nutzung der vorhanden Sonnenenergie nur ein Bruchteil des theoretischen Potentials ausmacht: Wir haben genug Energie – das zeigen Bild 1 und 2.

Raggam: Potential erneuerbarer Energien

August Raggam, Bild 2: Österreich hat genug Biomasse für seine Energieversorgung

Der beste Rohstoff, das beste Kraftwerk ist eingesparte Energie.

Im vergangenen Jahrzehnt wurden bei einem großen Energieverbraucher, der Raumheizung, große Einsparpotentiale durch moderne Dämmtechniken ermöglicht. Passivhäuser sind ausgezeichnet gedämmt und sammeln an ihrer Fassade Sonnenenergie ein, sodaß sie kaum zusätzliche Energiezufuhr benötigen. Trotz dieser Einsparungen sind in Österreich noch immer 63 Mio. Festmeter (fm) Holz notwendig, um zusammen mit der Wasserkraft den Energiebedarf zu decken.

In Österreich wird das Potential der Biomasse immer noch wesentlich unterschätzt durch falsche Berechnungsgrundlagen. Zur Ermittlung dieses Potentials in Österreich und in der EU stützt man sich allgemein auf die Forstinventuren, die aber nicht den Gesamtholzzuwachs angeben, sondern nur das nach etwa hundert Jahren schlägerungsreife Blochholz (Sägerundholz) beachten. Dadurch wird die wahrscheinliche Gesamtbiomassemenge um etwa einen Faktor 5 und die durch entsprechende Forschung mögliche um einen Faktor 20 unterschätzt.

Es muss gezeigt werden, daß wir die Klimaproblematik, die Ozonschichtzerstörung, viele chronische Krankheiten, Kriege und Arbeitslose der Verwendung (Plünderung) fossiler und atomarer Energieträger zu verdanken haben. Die in Bild 3 mit (+) bezeichneten Felder weisen auf Energieträger hin, die Probleme lösen, die mit (-) bezeichneten auf jene, die Probleme verursachen. Wir sehen, daß die energetische Nutzung der Biomasse in vielen Bereichen große Vorteile bringt. Die Biomasse löst alle wesentlichen Probleme, unter denen die Menschheit zunehmend leidet. Wie könnte dieser neue Weg, konkret aussehen?


Raggam, Bild 3: Biomasse als Lösung zahlreicher Probleme: Ozonschichtzerstörung, Krankheiten durch Umweltverschmutzung, Arbeitslosigkeit

Strom, Wärme und Treibstoffe aus Biomasse

Im Weltdurchschnitt gehen 50% der Primärenergie in den Verkehr, 40% in die Verstromung und nur 10% in die Wärmeversorgung. In Österreich und der EU geht etwa je ein Drittel in den Verkehr, in die Verstromung und in die Wärmeversorgung. Industrie, Kraftwerke und Raffinerien machen riesige Gewinne auf Kosten der Haushalte, die man über Strom-, Gas- und Ölleitungen perfekt im Würgegriff hat. Gelingt es, die Haushalte aus diesem Würgegriff zu befreien, so ist das Hauptproblem gelöst.

Im folgenden wird vorgerechnet, wie für jeweils 1000 Haushalte eine Versorgung mit Wärme und Strom für den Haushalt und den Betrieb eines Elektroautos über Biomasse-WKK’s (Wärme-Kraft-Kopplung, =Strom aus Wärme) und Photovoltaikanlagen gestaltet werden könnte:

1. Energiebedarf eines Haushaltes pro Jahr:

• Wärme: ~20.000 kWhth oder 4 t Pellets mit einer 12 kW Heizanlage
• Strom: 11 kWhel/Tag oder 4000 kWhel/a
• Mobilität: 10.000 km/a
(Auto: 5 l/100 km = 50 kWh/100 km = 4000 kWh/a)
Lösung Elektroauto: 15 kWh/100 km = 1500 kWh pro Jahr
Gesamt:
5.500 kWh Strom und 20.000 kWh Wärme
für einen 3-Personen-Haushalt mit einem Elektroauto

2. Stromversorgung

Annahme: Holzgasanlage 500 kW (150 kW ; 8000 Betriebsstunden/Jahr)

• 150 kWel x 8000 h/a = 2,4 Mio. kWh Strom pro Jahr
Mit der Abwärme (350 kW) wird eine Brennstofftrocknung (= 0,5 t/h Hackgut oder Pellets) betrieben.
• 0,5 t/h Brennstoff x 8000 h/a = 4000 t/a Pellets oder 28.500 m³ Hackgut pro Jahr (w = 10 %)
• Brennstoff reicht für 1000 Haushalte mit je einer KWB-WKK

KWB-WKK (Wärme-Kraft-Kopplung= Stromerzeugung aus Wärme): 10,5 kW Wärme; 1,5 kW Strom (1500 Volllaststunden/a)
• 1,5 kW x 1500 Betriebsstunden pro Jahr = 2250 kWh Strom pro Jahr
• 2250 kWh Strom pro Jahr x 1000 Anlagen = 2,25 Mio. kWh Strom pro Jahr

Photovoltaikanlagen 13 m² ≙1,5 kW (1500 Sonnenstunden/Jahr):
• 1,5 kW x 1500 h/a = 2250 kWh Strom pro Jahr
• 2250 kWh x 1000 Anlagen = 2,25 Mio kWh Strom pro Jahr
Summe Strombereitstellung 5,7 Mio kWh Strom pro Jahr

• 5,7 Mio kWh/Jahr : 5500 kWh/HH*a = 1035 Haushalte

3. Biomassebedarf:

Holzgasanlage 500 kW; η=0,8; 8000 Betriebsstunden/Jahr
• 500 kW Wärme : 0,8 * 8000 h/a = 5 Mio. kWh Brennstoffwärmeinhalt
• = 1000 t/a Pellets bzw. 2500 fm Holz

1000 KWB-WKK
• 4 t/a Pellets x 1000 Anlagen = 4000 t/a Pellets (= 10.000 Festmeter Holz pro Jahr)

Gesamter Biomassebedarf: 5.000 t Biomasse/Pellets oder 12.500 Festmeter Holz

4. Flächenbedarf:

• 13 t atro Biomassezuwachs pro ha und Jahr
• 5.000 t BM/a : 13 t/ha*a à 385 ha Wald oder LW-Fläche
• 1000 Haushalte à ~3 Personen à 3000 Personen.
• Pro Person ergibt sich ein Flächenbedarf von 385 ha : 3000 = 0,13 ha/Person.
In Österreich stehen jeder Person ca. 1 ha Fläche, also à 7,7mal mehr zur Verfügung.

Wir sehen, daß wir mit ca. 1/7 der pro Kopf zur Verfügung stehenden Fläche österreichische Haushalte zu 100 % mit Strom für Haushalt und Betrieb von Elektroautos sowie mit Wärme versorgen können. In derselben Größenordnung liegt der Flächenbedarf für die Versorgung der Industrie und Kraftwerke mit Energie aus Biomasse.

Erneuerbare Energie aus Biomasse für die Energieversorgung österreichischer Haushalte

Erneuerbare Energie aus Biomasse. Fotomontage: Christiane SchmuttererRealistische Ziele für das Jahr 2015

Ziel 1: Die Wärmeversorgung der österreichischen Bundesländer und ihrer Hauptstädte erfolgt zu 100% aus heimischer Biomasse.

Ziel 2: Die Zahl der Arbeitslosen in Österreich sinkt gegen Null, weil mit den riesigen bisher für die Erdöl- und -gasimporte ausgegebenen Summen inländische Arbeitsplätze in der neuen dezentralen Energiewirtschaft geschaffen werden können.

Ziel 3: Die CO2 Emissionen sinken um über 90%.

Ziel 4: Das Feinstaubproblem wird entschärft. Moderne Pelletsheizungen haben im Gegensatz zu herkömmlichen Festbrennstoffheizungen minimale Emissionen. Im Verkehr könnte der Feinstaub ebenfalls gesenkt werden durch die Einführung von Elektroautos. Gesundheit und Wohlstand aller Österreicher werden überzeugend gesteigert.

Ziel 5: Senkung der Brennstoffkosten durch Biomasseeinsatz nachhaltig um über 50 % gegenüber Öl- und Gasheizungen bzw. Fernwärme auf fossiler Basis und Senkung der Treibstoffkosten durch Umstieg auf Elektrobleibatterieautos um 90 %.

Voraussetzung für die Erreichung der Ziele

Wir haben eine Riesenchance!
Beteiligen wir uns am Siegeszug der Biomasse!
Nicht jammern - sondern handeln!

(1) August Raggam:
„Klimawandel. Biomasse als Chance gegen Klimakollaps und globale Erwärmung“,
Wien 2004, Ökosoziales Forum Österreich, Seite 9-17.
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August Raggam: Energie aus Biomasse - enormes Potential Österreichs

Univ.-Prof. Dr.techn. DI August Raggam lehrte an der TU Graz und gründete und leitete das dortige Forschungsinstitut "Alternative Energienutzung- Biomasse" Er war wesentlich an der Entwicklung der erste automatischen Pellets- und Hackgutheizungen beteiligt und Mitbegründer der Firmen Ökofen und KWB.

(Neue Argumente 106, August 2006)
Druckfassung (PDF 630 kb)

Mehr zum Thema von August Raggam:

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Bei der Energiegewinnung aus Biomasse wird das, was bisher als Abfallprodukt land- und forstwirtschaftlicher Produktion angesehen wurde, zum wertvollen Rohstoff: Gras, Stroh, Pflanzenabfälle, Kleinholz, Hackschnitzel, Rindenstücke etc. können mittels neuartiger Verfahren direkt zur Wärme- oder Stromgewinnung herangezogen werden.

"Klimawandel. Biomasse als Chance gegen Klimakollaps und globale Erwärmung" von August Raggam

August Raggam: Klimawandel. Biomasse als Chance gegen Klimakollaps und globale ErwärmungEin für Laien und wissenschaftlich Interessierte gleichermaßen spannendes Buch über das raffinierte Regelsystem der Natur, die Gefahren des Klimawandels, und Beweise für das enorme Potential erneuerbarer Energien und von Biomasse, welche die Fossilenergien Öl, Gas, Kohle und Atomenergie hundertprozentig ersetzen können. Mit zahlreichen Tabellen und Grafiken. 157 Seiten, Preis: 10 Euro.

Hrg. Ökosoziales Forum Österreich, Wien 2004,
ISBN 3-9501869-0-5 Bestellungen: Tel. +43 1 533 0797-0, Fax +43 1 533 0797-90