Arge Ja zur Umwelt, Nein zur Atomenergie



EU-Verfassung: Aufrüstung, internationale Militäreinsätze und Neoliberalismus

EU-Verfassung: Friedensvertrag
oder Lizenz zum Plündern?

“60 Jahre Leben in Frieden seit dem Ende des 2. Weltkriegs.
50 Jahre Leben in Freiheit seit dem Staatsvertrag.“
Unter diesem Motto feiern Regierung und Parteien das Jahr 2005, und das Volk soll mitfeiern. Die Ratifizierung der EU-Verfassung durch das Parlament im Mai soll die Krönung sein – quasi als „neuer Staatsvertrag“. Der Reigen der Reden und die Feuerwerke am Nachthimmel scheinen wie geschaffen, davon abzulenken, sich kritisch mit den bedenklichen Inhalten und Auswirkungen dieser Verfassung auseinanderzusetzen.

EU-Recht steht über österreichischem Recht

Die EU-Verfassung bedeutet das Ende einer souveränen österreichischen Gesetzgebung. In Artikel I-6 heißt es unmißverständlich: „Die Verfassung und das von den Organen der Union in Ausübung der der Union übertragenen Zuständigkeiten gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten.“ Selbst wenn anderorts das Prinzip der Subsidiarität bejaht wird, ist eindeutig klargestellt, daß die nationale Gesetzgebung ihr Spielfeld nur in jenem Rahmen findet, den die EU vorgibt. Das bedeutet de facto das Ende einer souveränen nationalen Politik, mit kaum vorstellbaren Konsequenzen. Was zum Beispiel wäre, wenn das österreichische Atomsperrgesetz als widersprüchlich zur EU-Gesetzgebung aufgefaßt würde?

Eine weitere Entmachtung österreichischer Politik erfolgt aus der Veränderung der Stimmenverteilung in den EU-Räten zugunsten der großen Staaten wie Deutschland, England und Frankreich. Dadurch wird die die Zentralisierung und Hierarchisierung in der EU weiter vorangetrieben.

Verpflichtung zur militärischen Aufrüstung

Die EU-Verfassung enthält eine Verpflichtung zur ständigen Aufrüstung, (Art. I-41, 3) die durch ein eigens geschaffenes europäisches Rüstungsamt geplant und überprüft werden soll. Internationale Militäreinsätze können vom Ministerrat „zur Wahrung der Werte der Union und im Dienste ihrer Interessen“ (Art. I-41,5) beauftragt werden. Solche Einsätze sind auch legitim, um Länder außerhalb der EU bei der Bekämpfung des Terrorismus auf ihrem Territorium zu unterstützen (Art. III-309) Ein UNO- Mandat ist für Militärmissionen nicht erforderlich, man bezieht sich nur ganz allgemein auf die Charta der Vereinten Nationen, wie es übrigens auch die NATO in ihrer Satzung tut. Strenger als bei der NATO ist die militärische Beistandsverpflichtung: „Im Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats müssen die anderen Mitgliedstaaten nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung leisten.“(Art. I-41,7)

Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik liegt ausschließlich in der Kompetenz der EU, die Mitgliedstaaten verpflichten sich, diese “aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität“ zu unterstützen (Art. I-16).

Aber ist die Neutralität nicht ohnehin ein altmodisches Relikt aus den Zeiten des kalten Krieges, das wir ohne Reue zugunsten eines gemeinsamen europäischen Sicherheitssystems begraben können? Ganz und gar nicht. Denn es war gerade die bittere Lehre der beiden Weltkriege, daß sich lokale Konflikte gerade durch Militärbündnisse zu Flächenbränden ausweiten können! Auch deshalb hat sich Österreich für die immerwährende Neutralität entschieden. Damit wird es nun vorbei sein. Verteidigungsminister Platter hat ja in vorauseilendem Gehorsam bereits im vergangenen November eine Zusage für die Beteiligung Österreichs an den EU-Kampftruppen gegeben.

Privilegierung der Atomindustrie

In einem Anhang zur EU-Verfassung wird der EURATOM-Vertrag bekräftigt: „Die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft müssen weiterhin volle rechtliche Wirkung entfalten“ (Teil IV,Protokoll zur Änderung des EURATOM-Vertrages). Ziel des EURATOM-Vertrages ist die Atomenergie zur fördern, um „die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen.“

(Präambel). Das Anti-Atom-Land Österreich zahlt jährlich rd. 40 Millionen Euro für EURATOM. Diese einseitige Subvention wird keineswegs als Verzerrung des „freien“ Wettbewerbs gesehen, dem sonst in der Verfassung eine derart überragende Rolle zugemessen wird.

Freihandel als Verfassungsauftrag

Ziel der EU ist die „schrittweise Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und bei den ausländischen Direktinvestitionen“ (Art. III-314)

Privatisierung der öffentlichen Dienste

Die EU bekommt die Kompetenz, die wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen für die öffentlichen Dienste festzulegen: „Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind ...gelten ... insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Bestimmungen nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe... verhindert.“(Art. III-166,2) Die Einschränkung am Schluß ist zwar zu begrüßen, aber wer schreitet dann tatsächlich ein, wenn ein privates Unternehmen seinen gemeinnützigen Auftrag eben NICHT erfüllt, und damit argumentiert, daß die gewünschte Leistung bedauerlicherweise nicht finanzierbar wäre?!

Es besteht daher die Gefahr, daß eine hemmungslose Liberalisierung bzw. Kommerzialisierung der öffentlichen Dienste stattfindet, von den Sozialdiensten bis zur Bildung oder Wasserversorgung, und in Folge qualitative Leistungen nur mehr für jene zu haben wären, die auch entsprechend dafür zahlen können.

Ein Austritt ist jederzeit möglich...oder doch nicht?

„Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten.“(Art.I-60) Das scheint nur recht und billig, doch es folgt noch eine „kleine“ Bedingung: Die Stimmberechtigten im europäischen Rat müssen mit einer Mehrheit von 72% (!) für den Austritt stimmen - und zwar OHNE die Stimmen des austrittswilligen Landes, das darf nämlich gar nicht mitabstimmen! Das ist so, als wenn jemand in einer Firma kündigen möchte, und dazu die Zustimmung von mehr als zwei Drittel des Managements benötigt. Da wird in der Präambel der EU-Verfassung so großartig von den Rechten und der Freiheit des Individuums geredet, und dann wird einer ganzen Nation de facto das Recht zur Selbstbestimmung verweigert, was jedem Rechtsverständnis widerspricht. Für einen Nettozahler wie Österreich ist es daher realistischerweise unmöglich, je wieder auszutreten.

In der EU-Verfassung ist durchaus der Anspruch erkennbar, neben den wirtschaftlichen Interessen auch die menschlichen zu emanzipieren. Da wird mit schönen Worten nicht gespart. Aber wenn dieser Anspruch über ein Lippenbekenntnis hinausgehen sollte, müßten auch konkrete Anweisungen und Sanktionen festgeschrieben werden, um diesen Werten auch zur Durchsetzung zu verhelfen. Da dies nicht der Fall ist, und die bestehenden nationalen Schutzregelungen nach und nach abgebaut bzw. ersetzt werden müssen, besteht die Befürchtung, daß diese Verfassung Europa weder äußeren noch inneren Frieden bringen wird.

Italiens Staatspräsident Carlo Ciampi fand anläßlich der Unterzeichnung der EU-Verfassung vergangenen Oktober in Rom große Worte: „Europa könnte den Frieden in die Welt exportieren“(La Repubblica, 29.10.04) Aber wie exportiert man Frieden mit einem Bekenntnis zu schrankenloser Handels-Deregulierung und zu militärischer Aufrüstung? Und Frieden für WEN? Für die Menschen - oder vielmehr für Konzerne, die Menschen und Naturschätze rund um die Welt unbehelligt ausbeuten und nun dabei sind, sich dafür auch noch die Rückendeckung politischer Institutionen zu sichern? Wenn das österreichische Parlament demnächst die EU-Verfassung ratifiziert, hat Österreich gute Chancen, nach einem halben Jahrhundert der Freiheit wieder für Großmachtsinteressen mitmarschieren zu dürfen.
Nein zur EU-Verfassung!

Christiane Schmutterer
April 2005

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