Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Landwirtschaft und züchten auch schon seit vielen Jahren ihre eigenen Samen. In der Umgebung gibt es einige Bauern, die auch seit zwei Jahren genetisch modifizierte Pflanzen anbauen. Eines Tages klopft bei Ihnen eine privater Sicherheitsdienst an die Tür, und sagt, bei vereinzelten Pflanzen auf ihrem Feld seien Merkmale der patentierten Sorte „Super-Schöpfung“ gesichtet worden und nach geltender Rechtsprechung fiele die gesamte Ernte nun in das Eigentum der Firma Nichtsheilig AG. Umsonst versichern Sie, daß Sie diesen Samen nie bewußt angebaut haben, und die Gentech-Pflanzen für Sie tatsächlich einen Schaden darstellen, weil diese doch eine Verunreinigung des von Ihnen gezüchteten Saatgutes darstellen. Doch abgesehen von der Beschlagnahme ihrer gesamten Ernte (und damit zukünftigen Saatguts) wird Ihnen auch noch mit beachtlichen Schadensersatzforderungen gedroht, weil Sie keine Lizenzgebühr für die Gensaat bezahlt haben.
Ein Albtraum? Genauso ist es Percy und Louise Schmeiser ergangen, als eines Tages im Jahr 1998 Monsanto-Genraps -Pflanzen in ihrem Acker entdeckt wurden.
Die Schmeisers weigerten sich zu zahlen, und wurden von Monsanto verklagt. Das war der weltweit erste Gerichtsprozeß über Besitzansprüche an genetisch veränderten Pflanzen. Der Prozeß zog sich über sieben Jahre hin und kam bis vor das kanadische Höchstgericht, wobei es auf Seiten der Schmeisers einen Anwalt gab, auf Seiten des Monsantos 19. Zwei parallele Klagen wegen Schadenersatz der besonders hohen Prozeßkosten erhöhten den finanziellen Druck auf die Schmeisers, die ohnehin schon Hypotheken auf ihren Grund und Boden aufgenommen hatten. Dazu kam noch Psychoterror, wie dauernde persönliche Überwachung und Verfolgung von Agenten Monsantos, oder anonyme Drohanrufe.
lautete folgendermaßen: Es wurde bestätigt, daß nach der geltenden Rechtsprechung die gesamte Ernte der Schmeisers in den Besitz Monsantos fiel, weil auf dem Acker
Genpflanzen gefunden wurden. Dabei sei die Menge der gefundenen Pflanzen - eine einzige oder tausende - völlig unerheblich für den Besitzanspruch. Ebenso unerheblich sei, WIE die Genpflanzen auf den Acker gekommen seien, ob dies nun durch Pollenflug oder Verschleppung durch Tiere oder durch von vorbeifahrenden LKWs herabgefallene Samen passiert sei. Allerdings stellte das Höchstgericht ebenfalls fest, daß die geltenden Gesetze in dieser Form inakzeptabel seien und formulierte einen Auftrag an Parlament und Regierung, neue Gesetze zu schaffen, wobei zwei Forderungen zu berücksichtigen seien: Erstens müsse das uralte Recht der Bauern auf die Verwendung und den Erhalt ihres eigenen Saatguts geschützt werden, und zweitens dürfe es prinzipiell keine Patentierung von höheren Lebensformen, wie Pflanzen, geben. Percy und Louise Schmeiser wurden zwar von Forderungen Monsantos freigesprochen, aber dazu verurteilt, ihre eigenen Prozeßkosten (eine halbe Million Dollar) zu zahlen.
Mit diesem Urteil war der Konflikt aber noch nicht zu Ende. Percy und Louise Schmeiser hatten auf Senfanbau und Samenzüchtung umgestellt, als sie im Jahr 2006 wieder Genraps-Pflanzen in ihrem Feld aufgehen sahen. Sie verständigten Monsanto und luden zu einer Überprüfung der Pflanzen ein. Monsanto bestätigte, daß es sich um „seine“ Pflanzen handelte, und fragte, was denn nun geschehen sollte. Die Schmeisers forderten Monsanto auf, die Gen-Pflanzen auf dem 25-Hektar-Feld einzeln auszureißen, und zwar noch vor der Fruchtbildung, um ein Auskreuzen des Raps zu den verwandten Senfpflanzen zu verhindern. Monsanto stimmte zu. Allerdings kam zwei Tage vor dem vereinbarten Termin ein Fax, in dem Bedingungen für die geplante Säuberungsaktion gestellt wurden, und diese Bedingungen hatten es „in sich“. Monsanto forderte, daß die Schmeisers und ihre Kinder sich verpflichteten, niemals wieder, aus welchem Grunde immer, Monsanto zu verklagen. Damit nicht genug, wurde auch verlangt, daß die Schmeisers sich für alle Zeit zu absolutem Schweigen über diese Vereinbarung mit Monsanto verpflichteten. Louise und Percy antworteten, daß so eine Verpflichtung für sie völlig inakzeptabel wäre, und sie keinesfalls auf ihr demokratisches Recht der freien Rede verzichten würden. Wenn Monsanto die Pflanzen nicht ausreiße, würden sie es eben selbst tun. Monsanto erwiderte, daß diese Rapspflanzen sein Eigentum seien, und es den Schmeisers auf ihren Feldern nicht freistehe, über diese zu verfügen. Die Schmeisers ließen sich nicht einschüchtern, luden ihre Nachbarn ein, und mit deren Hilfe waren die Gen-Pflanzen in ein paar Tagen entfernt. Dann wurde eine Rechnung über den Kostenersatz für die Arbeit an Monsanto geschickt. Monsanto weigerte sich, zu zahlen. Daraufhin dachten Percy und Louise, daß es nun Zeit sei, den Spieß umzudrehen, und brachten beim nächsten Amtsgericht eine Klage gegen Monsanto über 640 Dollar ein. Das Gericht prüfte die Klage, fand diese für zulässig und sich für zuständig, und so wurde der milliardenschwere Weltkonzern Monsanto am 19.3. 2008 wegen 640 Dollar auf ein kleines Amtsgericht einer Provinzstadt in Saskatchewan geladen. Es war ein denkwürdiger Tag: Um neun Uhr, zu Beginn der Verhandlung, erhob sich der Anwalt Monsantos, und sagte dem Richter, daß Monsanto die Forderung der Schmeisers akzeptiere. Er übergab einen Scheck über den geforderten Betrag zuzüglich 20 Dollar Gerichtsgebühr.
Abgesehen von der enormen Genugtuung, die dieser Erfolg für die Schmeisers war, wurde damit zum ersten Mal weltweit ein wichtiger Präzendenzfall geschaffen: Ein Genkonzern kann haftbar gemacht werden für die Schäden, die er verursacht, und jeder Bauer kann sich in Zukunft auf dieses Urteil berufen.
In Kanada wurden 1996 vier gentechnisch veränderte Pflanzen für den Anbau zugelassen: Raps, Soja, Baumwolle und Mais. Entgegen aller Versprechungen sind diese Arten mittlerweile überall im Land ausgekreuzt, sodaß es heute in Kanada wegen der Verunreinigung kein biologischer Anbau dieser Arten mehr möglich ist, und die Genpollen sogar in verwandte Pflanzensorten wandern – bei Raps etwa Blumenkohl, Broccoli, Senf, Radieschen. Die Behauptung der Möglichkeit des Nebeneinanderexistierens von Biolandbau und GVO hat sich als Lüge erwiesen. Auch die versprochenen höheren Erträge sind ausgeblieben, Percy Schmeiser nennt Statistiken des Landwirtschaftsministeriums, wonach die Ernten bei Soja um 15% und bei Raps um 10% zurückgegangen sind. Auch im Export mußte ein schwerer Marktverlust eingesteckt werden, selbst bei Sekundärprodukten wie Bienenhonig. Gestiegen ist nur der Einsatz von Herbiziden, und nicht nur deren Menge, sondern auch deren Giftigkeit mußte gesteigert werden, um neuer resistenter Super-Unkräuter Herr zu werden. Diese Gifte finden sich natürlich im Grundwasser wieder. All diese Erfahrungen haben in Kanada dazu geführt, daß ein neuer Antrag Monsantos auf die Zulassung von GVO-Weizen und Reis auf eine breite Front öffentlichen Widerstands stieß und schließlich abgelehnt wurde.
Was den Schmeisers passiert ist, ist natürlich auch anderen Bauern passiert, und sie wurden massiv unter Druck gesetzt mit finanziellen Forderungen oder Klagsdrohungen. Viele bäuerliche Existenzen sind so ruiniert worden. Das Schlimmste ist laut Percy Schmeiser aber, daß Monsanto neben seiner privaten Polizei auch einen Spitzelsystem betreibt, und mit Belohnungsangeboten in Zeitungen dafür wirbt, Bauern zu denunzieren, wenn der Verdacht besteht, daß Genpflanzen auf ihren Feldern wachsen. Dies hat im ländlichen Raum zu einer Kultur der Angst und des gegenseitigen Mißtrauens geführt.
Gentechnisch veränderte Nahrung ist gefährlich
Gentechnik-Essen passiert nicht einfach unseren Verdaungstrakt und verläßt ihn dann wieder, sondern wird nachweislich vom Körper aufgenommen. Die Amerikanische Akademie für Umweltmedizin hat im Jahr 2009, nach der Auswertung zahlreicher internationaler Studien, einen dringenden Aufruf an die US-Regierung gerichtet, daß genetisch veränderte Nahrung für Schwangere und Kleinkinder ein Gesundheitsrisiko darstelle und diese Gruppen daher solche Nahrung nicht zu sich nehmen dürften1. Österreich importiert pro Jahr ca. 550.000 Tonnen Gen-Soja, welche vor allem für die Fütterung von Geflügel in industrieller Massenhaltung verwendet werden und so auch auf unseren Tellern landen können. Ausgeschlossen ist dies nur bei Tieren aus biologischer Haltung, die nicht mit Genpflanzen gefüttert werden dürfen. Bioprodukte sind generell genfrei, wenigstens zu 99%. Auf Österreichs Äckern ist wegen des hartnäckigen Widerstands der Bevölkerung noch nie Gentechnik angebaut worden – ein großartiger Erfolg, zu dem Percy Schmeiser uns gratuliert: „Sie haben eine so tolle Agrarkultur, so eine Vielfalt an wertvollem Essen, verteidigen Sie diesen kostbaren Schatz! Hätten wir in Kanada gewußt, was uns die Gentechnik bringt, wir hätten uns nie darauf eingelassen.“
Der mitreissende Vortrag von Percy Schmeiser kann als Film im Internet angesehen werden.
"Was damit geschaffen wird, ist eine Kultur der Angst" Von Percy Schmeiser
Der kanadische Bauer Percy Schmeiser war 1998 von Monsanto verklagt worden, nachdem Gen-Raps des Gentechnik-Konzerns seine Felder kontaminiert hatte.
Gentechnik oder Bauern? Von Klaus Faißner
Österreich hat ein neues Gentechnikgesetz, das erstmals die Bedingungen für den Anbau von genetisch veränderten Organismen(GVO) regelt.
(Neue Argumente 102, Januar 2005)