von Klaus Faißner
"Wir haben nun weniger Ertrag, mehr Chemikalieneinsatz, ein neues Super-Unkraut und eine wesentlich geringere Qualität", sagt Percy Schmeiser, ein Rapsbauer aus Kanada. Mit "wir" meint er seine zigtausenden Farmer-Kollegen, die ganz und gar den Versprechungen der Gentechnik-Lobby glaubten. Jetzt reist der inzwischen 74-jährige Schmeiser rund um den Erdball, um die Bauern vor den Folgen des Einsatzes der Gentechnik zu warnen.
Besonders eindringlich will Schmeiser die Bauern in jenen Ländern warnen, in denen die Gentechnik in der Landwirtschaft bisher noch nicht Fuß fassen konnte - wie in Österreich oder den meisten anderen europäischen Staaten. Denn er hat einen jahrelangen Rechtsstreit mit dem Chemie- und Saatgutriesen Monsanto - rund 90 Prozent aller weltweit angebauten genmanipulierten Pflanzen stammen von diesem Konzern - hinter sich. Es war der klassische Fall von David gegen Goliath: 1998 wurde Schmeiser von Monsanto verklagt, weil der Konzern im Graben neben einem seiner Rapsfelder gentechnisch veränderte Pflanzen mit den von Monsanto eingefügten Genen gefunden hatte. Ihm wurde vorgeworfen, den Monsanto-Raps ohne Lizenz angebaut zu haben und dadurch gegen das Patent von Monsanto verstoßen zu haben. Der Bauer ließ Wissenschaftler Messungen machen, die bei den meisten Feldern einen GVO-Anteil von ein bis zwei Prozent feststellten, zwei seiner Felder waren nach diesen Untersuchungen überhaupt nicht kontaminiert worden. Dennoch wurde Schmeiser verurteilt, das Patent von Monsanto verletzt zu haben und verlor damit die Rechte über sein Getreide. Seine Schlussfolgerung ist eindeutig: "Man versucht die Kontrolle über das gesamte Saatgut weltweit zu erlangen und wer auch immer das kontrolliert, wird das Nahrungsangebot kontrollieren." Nachdem Schmeisers Fall bekannt wurde, kontaktierten ihn zahlreiche Bauern und erzählten ihm über ihre Erlebnisse mit dem Multi. Schmeiser fasst die ihm zugetragenen Ängste und Probleme zusammen: "Wir erleben den Untergang unserer ländlichen Farmkultur und Gesellschaft, in der die Farmer nicht mehr zusammenarbeiten und sich gegenseitig nicht mehr vertrauen."
Ein zentraler Begriff in der EU-Freisetzungs - Richtlinie, die jetzt von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgewandelt wurde, ist die Koexistenz. Demnach muss ein Nebeneinander von biologischer, konventioneller und Gentechnik-Landwirtschaft möglich sein. Wie das funktionieren soll, das wollten bzw. konnten die zuständigen Stellen in Brüssel jedoch nicht sagen und überließen die Ausführung den Mitgliedsländern. Diese waren durch die Bank ratlos, wodurch kaum eine Regierung die Freisetzungsrichtlinie fristgerecht umsetzen konnte. Von Pollenbarrieren und anderen Schutzeinrichtungen war vielfach die Rede - doch wie sollte man den Wind, Bienen und andere Insekten davon abhalten, Pollen von einem Gentechnik-Acker zum biologischen Acker zu vertragen? Besonders Raps als Kreuzblütler, der mit vielen heimischen Pflanzenarten verwandt ist und auch Mais kreuzen sich leicht aus. Viele Umweltschutzorganisationen und kritische Bauernverbände kamen hierzulande zum gleichen Schluss wie der aus Erfahrung sprechende Percy Schmeiser: Es gibt keine Koexistenz. Die Folgen scheinen klar: Die Einführung der Gentechnik würde über kurz oder lang das Ende der biologischen und gentechnikfreien Landwirtschaft bedeuten. Das Land Oberösterreich sah genau dieses Problem auf seine kleinräumig strukturierte Landwirtschaft zukommen und wollte mit den Stimmen aller vier Landtagsparteien ein Gentechnik - Verbotsgesetz beschließen. Dies widerspricht jedoch dem EU-Recht und wurde von Brüssel auch untersagt. Die verantwortlichen oberösterreichischen Politiker wollen sich jedoch nicht geschlagen geben: Sie wollen mit einer Klage beim Europäischen Gerichtshof das Recht auf die Selbstbestimmung der Regionen durchsetzen.
Doch bei allen Diskussionen über die Koexistenz wird meist auf ein noch viel wichtigeres Thema gerne vergessen: Auf das Saatgut. Seit mehr als eineinhalb Jahren will die EU-Kommission einen Vorschlag für die EU-Saatgut-Richtlinie vorlegen, ebenso lange wird sie von Umweltschutz- und kritischen Bauernorganisationen heftig bekämpft. Ursprünglich war die Rede davon, Saatgut je nach Sorte mit einer Gentechnik-Kontamination von 0,3 bis 0,7 Prozent noch als "gentechnikfrei" zu kennzeichnen. Eine solche Regelung würde bedeuten, daß mit einem Schlag alle Felder gentechnisch verunreinigt sein können! Mehr als 200.000 Unterschriften wurden gegen dieses Vorhaben bisher gesammelt, nähere Informationen finden sich auf der Internetadresse www.saveourseeds.org .
Bis jetzt wurden in Österreich also noch keine GVO freigesetzt, in den Supermärkten ist trotz Kennzeichnungspflicht von Gentechnik in den Nahrungsmitteln nichts zu bemerken und dennoch nehmen weltweit die GVO-Anbauflächen zu - vor allem in den Gentechnik-Ländern USA, Argentinien und Kanada. Doch was passiert vor allem mit der Soja, die die am meisten angebaute gentechnisch veränderte Pflanze ist? Zum einen wandert sie in kleinen - offensichtlich nicht kennzeichnungspflichtigen - Mengen z.B. in Form von Sojalecitin in viele Produkte wie konventionelle Schokolade. Zum anderen landet sie zuhauf in Form von Sojaschrot im Tierfutter auch unserer Bauern. Das Tierfutter selbst muss zwar gekennzeichnet werden, nicht jedoch die damit gefütterten Tiere, deren Produkte später in Form von Fleisch, Milchprodukten und Eiern in den Regalen landen. Eine Kennzeichnung würde diesen Produkten wohl riesige Umsatzeinbrüche bescheren. So aber haben sich die Gentechnik-Konzerne nicht nur große Absatzmärkte weltweit gesichert, sondern wollen offensichtlich so die Bauern und in weiterer Folge auch die Konsumenten an die Gentechnik gewöhnen. Wer ganz sicher gehen will, gentechnikfrei einzukaufen, ist bei biologischen Lebensmittel gut aufgehoben: Diese dürfen laut Gesetz in keiner Phase mit GVO in Berührung kommen. Risiko Genmais Gensoja & Co: Genmanipuliertes Getreide führt zu Rindersterben - der Fall Glöckner
Wie sicher ist genmanipuliertes Essen? Immer wieder ist von den am besten untersuchten Nahrungsmitteln die Rede. Ganz gegenteiliger Meinung ist jedoch einer, der es wissen muss: Gottfried Glöckner, einer der ersten "Gentechnik-Bauern" Deutschlands. Schon vor zehn Jahren begann er, gentechnisch veränderte Pflanzen zu genehmigten Versuchszwecken anzubauen. Ab 1998 baute er nicht nur Genmais in großen Mengen an, sondern verfütterte ihn auch an seine Rinder. Zu Beginn des Jahres 2001 traten mehr und mehr Probleme auf, die er bisher nicht erlebt hatte: Kühe bekamen klebrig-weißen Durchfall, hatten Blut in der Milch und im Harn, brachten missgebildete Kälber zur Welt und schließlich starben die ersten fünf Tiere. Inzwischen hat er seine ganze Herde, die aus ursprünglich 70 Kühen bestand, verloren. Er ist sich sicher, daß der Bt-176 Mais von Syngenta schuld daran ist. Im Mais ist nämlich das Gift des Bacillus thuringiensis eingebaut, das die Pflanze resistent gegen den Maiszünsler macht. Von Seiten Syngentas wurde stets beteuert, daß die Kuh dieses Toxin abbauen könne. Doch es landete überall - sogar in der Gülle, die Glöckner auf seine Wiesen aufbrachte. "Nach nur einem Tag auf der Weide hatten sie wieder einen klebrig-weißen Durchfall", erklärt er rückblickend. Der Landwirt machte sich schlau und fand heraus, daß keine Langzeit-Fütterungsversuche (chronische Toxizitätstests) vorgeschrieben sind.
Haben wir noch eine Chance, die Gentechnik zu verhindern? Die klare Antwort lautet: "Ja!" Die Situation ist vergleichbar mit Zwentendorf: Das AKW war bereits fertiggestellt, ging aber nie in Betrieb. Genauso ist es mit der Gentechnik: Alle Voraussetzungen für die Freisetzung sind da, aber noch hat es die Bevölkerung in der Hand dies zu verhindern. Die Grundlage dafür ist das Wissen über die wahren Vorgänge rund um diese Risikotechnolgie. Einen wertvollen Beitrag dazu leisten unter anderem die Umweltschutzorganisationen Global 2000 und Greenpeace. Besonders aktiv ist die Antigentechnikplattform Pro Leben, die laufend Veranstaltungen organisiert und mit hochkarätigen Experten wie dem ehemaligen Biotechnologie-Professor der TU Graz Anton Moser aufklärt. Wer sich ausführlich informieren will, dem sei das von Manfred Grössler herausgegebene, voraussichtlich im Februar erscheinende Buch "Das Gentechnik-Desaster - Irrwege und Auswege" empfohlen. Hier sind auch genau die Geschichten von Percy Schmeiser und Gottfried Glöckner niedergeschrieben. In weiterer Folge ist aktives Handeln angesagt - siehe Zwentendorf.
Neue Argumente Ausgabe 102, Januar 2005
Wirkungsvolle Beschlüsse für Genfreie Regionen ein rebellischer Aufruf von Volker Helldorf: was können wir tun, um Verseuchung unserer Äcker durch die Gentechnik entgegenzutreten?
"Was damit geschaffen wird, ist eine Kultur der Angst" Von Percy Schmeiser
Der kanadische Bauer Percy Schmeiser war 1998 von Monsanto verklagt worden, nachdem Gen-Raps des Gentechnik-Konzerns seine Felder kontaminiert hatte.
Freiwillige Feldbefreiung - ziviler Ungehorsam gegen Gentech-Verseuchung
Gentech-Pflanzen am Feld vor der Reife einfach abmähen - ist das ein krimineller Akt oder Zivilcourage? "...es geht uns nicht um die Schädigung einzelner, sondern um den Schutz des Ökosystems Erde und unserer Gesundheit!!" sagen die Initatoren der Aktion "Gendreck-weg!"
Unterschriftenliste der Plattform "PROLEBEN" für ein gentechnikfreies Europa (PDF, 55KB)
Internationale Unterschriftenaktion gegen Gentechnik im Internet: www.saveourseeds.org
Wo in Deutschland wird überall schon genmanipulierter Mais angebaut? Übersichtskarte von Greenpeace (PDF, 330 Kb)
23.12.2006 Die EU-Kommission wollte Österreich am Montag 18.12.2006 dazu zwingen, genmanipulierte Pflanzen - die Genmaissorten MON 810 und T25 - für den Markt zuzulassen. Doch es kam anders. Die EU-Umweltminister haben haben in Brüssel mit der notwendigen qualifizierten Mehrheit gegendenVorschlag der EU-Kommission gestimmt, das österreichische Importverbotaufzuheben.Damit wurde bereits das zweite Mal der Versuch der EU-Kommission abgewehrt, Österreichs Importverbot für gentechnisch veränderte Maissorten zu kippen. Auch am 24. Juni 2005 war eine derartige Initiative gescheitert.
Die Entscheidung ist ein klares Signal an den Weg Österreichs als gentechnikfreies Agrarland.
David gegen Goliath
Der kanadische Bauer Percy Schmeiser war mit seiner Frau Louise am 6.Juni in Altlengbach/NÖ und und hat vor zahlreichem Publikum berichtet, wie er sie den Gentechnik-Riesen Monsanto in die Knie gezwungen haben. Er warnte die Österreicher, nie und nimmer ihren
kostbaren Schatz einer natürlichen Nahrung preiszugeben.
(Neue Argumente 115, Juli 2010)